Das staatliche Schulsystem als Relikt des Obrigkeitsstaates

Die staatliche Schule ist in obrigkeitsstaatlichen Zeiten entstanden. Der absolutistische Staat übernahm das Schulwesen sukzessive aus der Hand der Kirchen und gestaltete es über verbindliche Lehrpläne und  Prüfungen in seinem Sinne aus.

„Im 18. Jahrhundert setzte sich der Polizei- und Militärstaat mit seinen merkantilistischen Interessen dem Individuum gegenüber absolut. Er benutzte auch die Pädagogik als Mittel, um seine ´Macht´ und seinen ´Reichtum´ zu vermehren. Von jedem Untertan wurden angespannte Tätigkeit, Gehorsam und Pflichterfüllung verlangt, wobei aus dem staatlichen Machtwillen eine eigentümliche Dynamik erwuchs. Im pädagogischen Bereich kam dies in der Forderung, auf die künftige Brauchbarkeit vorzubereiten, deren inhaltliche und funktionale Bestimmung sich aus der Zuordnung zu einem der Stände ergab, zum Ausdruck. Der Grundsatz, ´das Kind gehört dem Staat´, den jede totalitäre Staatsform vertritt, war hier bereits vorweggenommen. ´Die gefährlichste Verobjektivierung des pädagogischen Ziels´ lag darin, dass sich die Sorge nicht auf das Gedeihen des Heranwachsenden richtete, sondern auf seine künftige Brauchbarkeit, seine ´Leistung´ (Hermann Nohl).  Das Schulwesen stand in erster Linie im Dienste der merkantilistischen Wirtschaftspolitik, der Zwecke des Militärs und der Verwaltung. (…) Die Auswahl der zu fördernden Eigenschaften war von der durch den ´Staat´ geforderten Brauchbarkeit festgelegt. (…) Auch die Diskussion über die verschiedenen Schulformen und die Schulgesetze lassen erkennen, dass der Heranwachsende zu einem seinem Stande entsprechenden tugendhaften, nützlichen und brauchbaren Glied eines Territorialstaates erzogen werden sollte.“ (Carl-Ludwig Furck: Das pädagogische Problem der Leistung in der Schule, Weinheim/Berlin 1967, S. 74, 75)

Insbesondere über das Prüfungs- und damit verbundene Berechtigungswesen (sowie den Beamtenstatus der Lehrer) übte der Staat einen starken Anpassungs- und Lenkungsdruck auf die Schulen aus. Für die 1788 erfolgte Einführung des Abiturs in Preußen, dem Vorbild für alle anderen berechtigenden Prüfungen, ist anfangs sicher der Wunsch nach für das Studium gut vorbereiteten Studenten veranlassend gewesen. Sehr schnell aber entdeckten – wie C.L. Furck nachweist (a. a. O.) – diejenigen, die das herrschende Staats- und Untertanenverständnis repräsentierten, die ungeheuren Möglichkeiten, die dieses Prüfungs- und Berechtigungsmonopol für ihre Ziele bot. Indem die staatlichen Schulbehörden den Kanon der im Abitur zu fordernden Kenntnisse und Leistungen vorschrieben, mussten alle Gymnasien ihre Schüler auf die feststehenden Bildungsvorstellungen des Staates ausrichten. Denn um zum Universitätsstudium zu kommen, gab es keinen anderen Weg als den Flaschenhals der staatlichen Berechtigung. Da man nur das als Bildung anerkannte, was staatlich beglaubigt wurde und was die Staatsschule Bildung nennen musste, war folglich auch nur der begabt, der die staatlichen Anforderungen erfüllte. Damit wurde die Schule primär für die Zwecke des Staates okkupiert. Sie

sollte den einseitigen politischen Absichten des monarchischen Staates dienstbar gemacht und durch sie die nachwachsende Generation den gesellschaftlichen Gegebenheiten, die man als bedroht ansah, angepasst werden“. (Furck a. a. O., S. 63).

Diese Bestrebungen weiteten sich aus. Mehr und mehr wurde das Abitur auch zur Voraussetzung für den Eintritt in Berufe ohne akademische Vorbildung. Die Volksschulen wurden schließlich ebenfalls einbezogen, indem man Schulentlassungszeugnisse einführte, die in einigen Regierungsbezirken sogar auch von einer Prüfung abhängig waren. Beide Schulformen, Gymnasium und Volksschule, hatten also, wie Furck feststellt,

„konservative Untertanen zu erziehen, die durch ihre Leistungen zur Vermehrung der wirtschaftli-chen, der politischen und der militärischen Macht des Staates beitragen sollten. Man benutzte die Schulen zur Festigung der überkommenen, statischen Ordnungen. Die Leistungsanforderungen sollten daher auch – verstärkt in der Volksschule – die Schüler nicht zum Bewusstsein ihrer Freiheit und Selbstverantwortlichkeit führen. Nicht das Wachsen und Reifen der Schüler, denen die Leistungsanforderungen in der Schule zu dienen haben, stand im Vordergrund, sondern die einseitige Ausrichtung auf den künftigen Zweck, auf die Verwendbarkeit des Erwachsenen“ (a. a. O., S. 74, 75).

Dieses staatliche System herrscht noch heute. Es hat sich im Prinzip nicht verändert, sondern ist nur noch weiter ausgedehnt worden. Kaum ein Schul- oder Studiengang und kaum ein Beruf kann heute ohne staatliche oder staatlich sanktionierte Prüfung und Berechtigung angetreten werden. Einst vom absolutistischen Staat als Herrschaftsinstrument etabliert, hat es so unterschiedliche Staatsformen wie das Kaiserreich, die Weimarer Republik und die Hitler-Diktatur überdauert. Stets war es ein geeignetes Instrument für die jeweils Herrschenden, die Jugend nach ihren Vorstellungen unterrichten und ausbilden zu lassen. Zwar ist die Erziehung zum Untertanen kein Bestandteil der offiziellen Lehrpläne mehr, aber dass an die Stelle obrigkeitsstaatlicher Schulbürokratie eine „demokratisch legitimierte“ getreten ist, ändert nichts am Prinzip, durch zentrale Steuerung dafür sorgen zu können, dass die Jugend einer „freien“ Gesellschaft nach den Grundsätzen und für die Ziele unterrichtet wird, die eine herrschende Schicht für wünschenswert hält.

Und niemand kann übersehen, dass auch heute in starkem Maße wirtschaftliche und politische  Forderungen, also außerpädagogische Interessen, in den staatlichen  Lehrplänen und Prüfungsrichtlinien Berücksichtigung finden. Ja, das noch halbwegs am Humboldt`schen Bildungsideal orientierte bisherige Schul- und Hochschulsystem wird seit etwa fünfzehn Jahren mit einer noch nie dagewesenen Radikalität in Richtung eines an ökonomischen Interessen orientierten Schul- und Hochschulunterrichts umgestaltet. Die Impulse dazu gehen von der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) aus, also von einer internationalen Wirtschaftsorganisation, die diesen Prozess über die medial inszenierte Schock-Therapie ihrer PISA-Studien ständig vorantreibt. Im Mittelpunkt steht darin das Kompetenz-Konzept der OECD, womit die rein funktionale Fähigkeit gemeint ist, sich an die ökonomischen Erfordernisse flexibel anzupassen“. (Jochen Krautz, „Die sanfte Steuerung der Bildung“, FAZ vom 29.9.2011)

Aber selbst wenn es nur um hehre pädagogische Prinzipien und Zielen gehen würde, blieben sie ein System der Fremdbestimmung. Denn immer liegen ihnen anthropologische und pädagogische Vorentscheidungen zugrunde, die die Festlegung auf eine bestimmte Pädagogik bedeuten. Diese im Spektrum der vielfältigen erziehungswissenschaftlichen Ansätze mit Sicherheit nicht unbestrittene, mit der Möglichkeit entscheidender Irrtümer und Einseitigkeiten behaftete Richtung wird zur allein gültigen erklärt. Nicht der etwa in ihr wohnende Wahrheits- und Fruchtbarkeitsgehalt verschafft ihr im freien wissenschaftlichen Erkenntnis- und Kommunikationsprozess und in der pädagogischen Praxis Anerkennung, sondern sie wird allein durch die staatliche Gewalt per Gesetz oder Verordnung gesellschaftlich durchgesetzt. Dadurch wird sie, zwar nicht der akademisch verbalen, aber, worauf es ankommt, der effektiven Kritik und Korrektur einer fruchtbaren Wissenschafts- und Praxisvielfalt entzogen.

Hier greift der Staat grundrechtswidrig in die Freiheit der Wissenschaft und ihre praktische Realisierung, in die freie Entfaltung und Selbstbestimmung der wissenschaftlich ausgebildeten Lehrer ein.

Es kann hier nicht darauf eingegangen werden, wie der Dirigismus des Staates in dem ihm prinzipiell fremden Bereich des Kulturlebens im Einzelnen noch weitere Übel und Fehlentwicklungen zur Folge hat: wie der Objektivitätsanspruch des Noten- oder Punktesystems eine Farce ist, da jede Quantifizierung von Qualitäten prinzipiell willkürlich erfolgt; wie Prüfungsergebnisse, die sich immer auf die Vergangenheit beziehen, keinen prognostischen Wert haben können; wie permanente und punktuelle Prüfungssituationen das Lernverhalten der Schüler und das Lehrverhalten der Lehrer negativ verändern und das pädagogische Verhältnis deformieren; wie die Verknüpfung von pädagogischen Entscheidungen mit Berechtigungen letztlich die Absurdität der richterlichen Kontrolle notwendig nach sich zieht.

Ein mit den Grundelementen der Demokratie verbundenes Schulwesen kann nur aus der Selbstbestimmung der Betroffenen, der Lehrer und Eltern, hervorgehen. Das freie Selbstbestimmungsrecht des mündigen Bürgers nach Art. 2 GG verlangt, dass Schulen nur von Staat und Wirtschaft unabhängige, freie Einrichtungen sein können, in denen die Lehrer aus ihrer fachlichen Kompetenz und ihren konkreten Erfahrungen und Erkenntnissen vor Ort die Unterrichtsinhalte, Methoden und Organisationsformen selbst bestimmen. In der entstehenden Vielfalt von Bildungseinrichtungen werden sich die Eltern aus ihrer Erziehungsverantwortung für das ihnen zusagende Schulprofil frei entscheiden können. Dem Staat kann nur eine Rahmen setzende, rechtliche Aufsichtsfunktion zukommen.

Wer die Angepasstheit und Lethargie vieler beamteter Lehrer sowie die Gleichgültigkeit und Uninteressiertheit vieler Eltern, die eine staatliche Lenkung bräuchten und wollten, als Gegenargument ins Feld führt, verweist einerseits nur auf die Früchte eben dieses staatlichen Bildungssystems und redet andererseits doch der Unmündigkeit der Menschen das Wort. Er bestreitet damit der Demokratie ihre elementare menschenrechtliche Grundlage. Auch wer ein dann entstehendes allgemeines Chaos an die Wand malt, das zu einem Bildungsabfall und neuen Bildungsunterschieden führe, will mit angeblichen Schwierigkeiten die Sache selbst diskreditieren und den Obrigkeitsstaat in diesem Gebiet aufrechterhalten.

Es kann nicht Aufgabe des Staates als organisierte Rechtsgemeinschaft sein, für die moralisch-geistige Entwicklung des Menschen aktiv inhaltlich zu sorgen. Das ist Sache jedes einzelnen Menschen selbst, seines eigenen inneren Strebens. Darin entfaltet und verwirklicht er seine menschliche Persönlichkeit. So­wie der Staat diese Handlungsintentionen für den Einzelnen übernimmt, greift er in die freie Entfaltung der Persönlichkeit, in das Selbstbestimmungsrecht des Menschen ein und verletzt seine Würde als autonomes Wesen. Der Mensch ist dann im Kern seiner Individualität ausgeschaltet, die sich nur selbst, im aktiven Ergreifen ihres Geistes entwickeln kann, durch Bestimmung von außen aber nur zum passiven Sklaven gemacht wird. So schrieb schon Wilhelm von Humboldt 1792:

„Ein Staat, in welchem die Bürger … genötigt oder bewogen würden, auch den besten Ge­setzen zu folgen, könnte ein ruhiger, friedliebender, wohlhabender Staat sein; allein er würde mir immer ein Haufen ernährter Sklaven, nicht eine Vereinigung freier, nur, wo sie die Grenze des Rechts übertreten, gebundener Menschen scheinen.“ (Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen, Stuttgart 1962, S. 93)

Sowie der Staat inhaltlich gestaltend in die kulturell-geistigen oder auch die wirtschaftlichen Lebensbereiche der Menschen eingreift, begründet er automatisch ein demokratiewidriges Über- und Unterordnungsverhältnis, dem die Menschen passiv ausgesetzt sind. Er tritt als Despot, als Vormund auf, der unausgesprochen voraussetzt, dass die Menschen unmündig seien, denen von den we­nigen Mündigen im Staate, von „denen da oben“, wie die hilflosen Bürger noch immer bezeichnenderweise sagen, vorgeschrieben werden müsse, was das Richtige und Beste für sie sei.

Es ist noch eine unbewusst so tief sitzende obrigkeitsstaatliche Gewohnheit und Tradition, dass man gar nicht mehr die Arroganz und Überheblichkeit empfindet, die damit verbunden ist. Sie wird nur durch den formal-demokratischen Vorgang der Parlaments-Wahlen verdeckt, durch die der Bürger alle vier oder fünf Jahre auf die Gestaltung seiner Lebensverhältnisse an­geblich Einfluss nehmen könne. Was ja nichts anderes bedeutet, als dass der im Obrigkeits­staat „von Gottes Gnaden“ eingesetzte oder durch Usurpation an die Macht gekommene Vor­mund sich nun in mehrere Vormünder teilt, die unter einer größeren Anzahl von Vormund­schafts-Bewerbern ausgewählt werden dürfen. An der faktischen Bevormundung ändert das nichts. Es handelt sich um eine geistige Tyrannis.

Jede inhaltliche oder organisatorische Vorgabe des Staates im Bildungswesen nötigt dem Lehrenden als ausführendem Organ eine pädagogische Verhaltensnorm auf, die sein schöpferisches Ideenvermögen, seine Eigeninitiative und Selbstverantwortung lähmen und ihn als mündigen, sich selbst bestimmenden Fachmann missachten.

Wahre Erziehung ist der individuelle, selbst verantwortete Prozess, den der Erziehende originär in Gang setzt. Die Teilnahme am produktiven Umgang mit den Rätselfragen der Welt lässt im Kind eben dieselben Kräfte zur Entfaltung kommen, die der Erzieher im Unterricht entwickelt. Menschliche Erziehung kann letztlich nur heißen, den heranwachsenden Menschen zum freien, schöpferischen Gebrauch seiner Kräfte und Fähigkeiten, ihn selbst zum Bewusstsein von Freiheit und Selbstbestimmung zu führen. Erziehung in der Demokratie bedeutet: Erziehung zur Freiheit. Zur Freiheit erziehen kann aber nur ein Lehrer, der selbst frei ist.

Ein freies Geistes- und Kulturleben muss der ständige Quell sein, aus dem sich das Rechts- und das Wirtschaftsleben, der gesamte soziale Organismus, ständig ernähren und immer wieder erneuern. Und der Quell des Geisteslebens ist sein Bildungswesen.

Der Begründer der Waldorfpädagogik, Rudolf Steiner, der schon am Beginn des vorigen Jahrhunderts auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, den Einheitsstaat in seine drei Lebens­gebiete mit jeweils eigenen Organisationsformen aufzugliedern (s. „Die Kernpunkte der so­zialen Frage“), schrieb ineinem Aufsatz „Freie Schule und Dreigliederung“ (in: Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage, 1915 – 1921, Dornach 1961):

„Nicht gefragt soll werden: Was braucht der Mensch zu wissen und zu können für die so­ziale Ordnung, die besteht; sondern: Was ist im Menschen veranlagt und was kann in ihm entwickelt werden. Dann wird es möglich sein, der sozialen Ordnung immer neue Kräfte aus der heranwachsenden Generation zuzuführen. Dann wird in dieser Ordnung immer das leben, was die in sie eintretenden Vollmenschen aus ihr machen; nicht aber wird aus der heranwachsenden Generation das gemacht werden, was die bestehende soziale Ord­nung aus ihr machen will. … Da das Leben des Staates und der Wirtschaft nichts von der Menschennatur Abgeson­dertes sind, sondern das Ergebnis dieser Natur, so ist niemals zu befürchten, dass ein wirklich freies, auf sich selbst gestelltes Geistesleben wirklichkeitsfremde Menschen aus­bildet.“ (a.a.O. S. 37, 38)

Staat und Wirtschaft haben naturgemäß das Interesse, dass die heranwachsende Generation auf ihre Bedürfnisse und Anforderungen hin ausgebildet werden. Damit wird die Jugend aber auf bestehende und oft erstarrte Formen, in die sie sich einfügen sollen, festgelegt, ohne Rücksicht darauf, was in ihr selbst an neuen Lebensimpulsen heraufdrängt. Daher kommt es darauf an, dass das, was gelehrt und wozu erzogen werden soll, ganz aus der Erkenntnis des werdenden Menschen und seiner individuellen Anlagen, aus der Anthropologie entwickelt wird. Das schließt in höheren Klassen eine exemplarische Behandlung idealer gesellschaftlicher Verhältnisse ein. Dann können die so ausgerüsteten mündigen Menschen in die Gesellschaft eintreten und ihre Impulse in die Gestaltung der Verhältnisse einfließen lassen, die so immer menschengemäß verändert werden können.

Es geht darum, das Selbstbestimmungsrecht des mündigen Bürgers wirklich ernst zu nehmen und das Bildungswesen in seinem Sinne umzugestalten. Auf diesem Wege werden natürlich viele Koordinationsfragen und Details zu lösen sein. Hier kann nur in die einzuschlagende Richtung gedeutet werden. Wesentlich ist, dass die Schulen Teil eines freien, vom Staat unabhängiges Geistes- oder Kulturwesens werden, das sich aus sich selbst heraus, aus seiner eigenen geistigen Kompetenz, d.h. aus der Erkenntnis- und Gestaltungsfähigkeit der betroffenen mündigen Menschen konstituiert und sich selber – horizontal koordinierend – organisiert und verwaltet. Dann ist es nicht mehr möglich, das Bildungswesen über das Instrument der zentralen staatlichen Verwaltung für bildungsfremde und entwicklungsfeindliche Zielsetzungen zu okkupieren.

11 Kommentare zu „Das staatliche Schulsystem als Relikt des Obrigkeitsstaates“

  1. Gedanke der staatlichen Schulaufsicht / Lehrkonzeption angreifbar ?

    Diesen Artikel verstehe ich in seiner Tendenz nicht. Zumindest nicht auf der Gegensatzachse – staatlich/kollektiver Bildungsauftrag – privatorientierte, privatfinanzierte, möglicherweise utilitaristische oder andersartige „befreite“ Bildungsvermittlung/Bildungsaneignung.

    An anderer Stelle auf diesem Blog finden sich doch ambitionierte Artikel, welche den Bologna-Prozess aufgreifen und interpretieren als eine systematische Destruktion des sowohl festgefügten, universellen als auch idealistischen, anspruchsvollen Anforderungskanon staatlicher Schul- und
    Universitätsausbildung.
    Was kann man denn ernsthaft wollen auf diesem Planeten – einen Modus, der von allgemeinverbindlicher Normenkontrolle befreit ist – und trotzdem nicht privatkapitalistisch oder religiös oder sektiererisch okkupiert wird oder in experimentellem Dilttantismus versinkt ?
    Die Vermittlungsmängel im staatlichen Ausbildungswesen ergeben sich aus der unsystematischen Implantation von linkspädagogischen Fraktaltheoremen aus der 68er Zeit sowie ihren diversen Reformderivaten und außerdem einem Konzert von außerschulischen Gesellschaftseinflüssen.
    Aber nicht aus der grundsätzlichen Mißeignung des Ansatzes staatliches Schul- und Ausbildungswesen !
    Es ist m.E. absolut unsinnig und kontraproduktiv, die Existenzmöglichkeit eines „befreiten“ und „unbeeinflussten“ Schulwesens zu postulieren.
    Es wird immer irgendeine Form von immanenter Beeinflussung geben – Wertfreiheit ist in Wirklichkeit undenkbar – vielmehr kommt es darauf an, welcher Bildungs/Fähigkeitenvermittlungseffekt in einem beeinflussenden Schul- und Ausbildungssystem meßbar wird !
    Der bemüht wertungsprohibitive, geschraubte, pseudoobjektivistische Ansatz ist zu einem gut Teil postnationalsozialistische Angstpsychose und wurde von den studentisch-marxistischen K-Gruppen lustvoll und über weite Strecken fundiert -zerlegt.

  2. Ein Bildungswesen, das sich unabhängig vom Staat frei organisiert und verwaltet, ist nicht privat, sondern genauso öffentlich. Es stünde unter der rechtlichen Aufsicht selbst gewählter Organe und in der öffentlichen Kritik der Medien und Eltern, die die ihnen zusagende Schule wählen und auch wieder abwählen könnten.

    In den Artikeln dieses Blogs über die Übernahme der Schulen und Hochschulen durch EU und OECD geht es zum Schluss gerade darum aufzuzeigen, dass diese Übernahme nur durch das staatliche Bildungssystem möglich ist, indem nur die Spitzen der staatlichen Hierarchie dafür gewonnen oder entsprechend besetzt werden müssen. Das staatliche System schließt andererseits ja nicht aus, dass vernünftige pädagogische Ansätze existieren bzw. existiert haben, die in der Humboldtschen Bildungstradition der Persönlichkeitsbildung lagen. Das rechtfertigt aber nicht dieses System, gegen das Humboldt selbst als 25-Jähriger in seiner Schrift „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“ größte Bedenken vorgebracht hat.

    Worauf es ankommt, ist: Grundlage der Demokratie unseres Grundgesetzes ist ihrem Wesen nach der mündige Mensch, also das sich selbst bestimmende Ich, das darauf angelegt ist, sein Leben in freier Eigenverantwortung selber zu gestalten. Das macht seine Würde als geistig-sittliches Wesen aus. Danach kann es Sinn und Aufgabe des demokratischen Staates nur sein, durch die Verfassung, das Zivil-, Straf- und sonstige Ordnungsrecht den rechtlichen Rahmen dafür zu bilden, dass seine Bürger im Sinne dieser die Demokratie in ihrem Fundament begründenden Menschenrechte ihr Leben selber bestimmen und gestalten und darin ihre Persönlichkeit frei entfalten können. Die staatliche Ordnung ist nicht Selbstzweck, sondern hat der Freiheit des einzelnen Menschen und seiner Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung zu dienen.

    Sowie der Staat inhaltlich gestaltend in die kulturell-geistigen oder die wirtschaftlichen Lebensbereiche der Menschen eingreift, begründet er automatisch ein demokratiewidriges Über- und Unterordnungsverhältnis, dem die Menschen passiv ausgesetzt sind. Er tritt als Vormund auf, der unausgesprochen voraussetzt, dass die Menschen unmündig seien, denen von den wenigen Mündigen im Staate, von „denen da oben“, wie die hilflosen Bürger noch immer bezeichnenderweise sagen, vorgeschrieben werden müsse, was das Richtige und Beste für sie sei.

    Die Freiheit, die Selbstbestimmung, ist bereits unmittelbar geltendes Recht und als ein unverletzliches und unveräußerliches Menschenrecht überhaupt nicht mehr in Frage zu stellen. Sie wird es nur noch durch alte Denkgewohnheiten. Die einzig mögliche Aufgabe lautet, dass alles unternommen werden muss, es in der Gesellschaft zu realisieren. Anstelle von vertikalen Herrschaftsstrukturen lassen sich auch horizontale Zusammenarbeitsstrukturen entwickeln.

  3. Übernahme des Schulwesens durch EU und OECD verhindern…??
    „Ein Bildungswesen, das sich unabhängig vom Staat frei organisiert und verwaltet, ist nicht privat, sondern genauso öffentlich. Es stünde unter der rechtlichen Aufsicht selbst gewählter Organe und in der öffentlichen Kritik der Medien und Eltern, die die ihnen zusagende Schule wählen und auch wieder abwählen könnten…“
    Das mag ja sein – und der Ansatz weist zweifellos viel spürbaren Idealismus auf.
    Jedoch – wo und wie könnte es denn ein flächendeckendes frei organisiertes Bildungswesen geben ? Die „horizontalen Zusammenarbeitsstrukturen“ müßten ja dann aus einem Teilnehmerpotential mit unabhängigem und alternativem Meinungshintergrund schöpfen können.
    Gibt es aber einen solchen breit aufgestellten alternativen Meinungshintergrund ?
    Die Tatsache, daß die Kommentarspalten zahlreicher online Medien stark von EU-kritischer und politisch/pädagogisch Meinungsabgabe geflutet werden könnte das täuschende Bild abgeben, daß sich darin eine breit aufgestellte Mehrheit äußerte. Jedoch – es handelt sich um jenen Teil der Menschheit, der des Schreibens mächtig ist, der bereit und motiviert zur Meinungsabgabe ist und über die Zeit verfügt, dies zu tun.
    Meines Erachtens eine Minderheit. Wenn man daraus nun noch den Teil herausrechnet, der bereit wäre, sich auf die Errichtung einer selbstverwalteten Schulorganisation einzulassen – dann kommt man auf Volumina, die für eine relevante Infrastruktur völlig unzureichend sind.
    Wie also die „Übernahme“ verhindern oder mit ihr umgehen ?
    Fragen, die zunächst offen bleiben…

  4. Vielen Dank für Ihr Mitdenken. Der Weg ist schwierig, das ist klar. Der Prozess müsste in erster Linie von Lehrern und Eltern ausgehen, die immer mehr freie, vom Staat unabhängige Schulen gründen und dadurch dem Staat die Schüler abgraben. Also vor allem bei den Lehrern müsste das Bewusstsein ihrer Unfreiheit und Instrumenatlisierung wachsen.

  5. Da ich mich im Rahmen des Hausunterrichts für meine Töchter intensiver mit der Thematik befaßt hatte, möchte ich einige Gedanken hier beitragen: Es ist die Art, wie Schule heute gehandhabt wird, durchaus nicht Jahrhunderte alt. Erst die Weimarer Republik führte eine lockere Art Schulpflicht ein und die heute wirksamen Zwangsbeschulungsphantasien stammen erst von 1938, das braucht man wohl nicht weiter zu kommentieren. Aber selbst im und nach dem letzten Weltkrieg war es zunächst noch klar, daß Schule von Eltern und Lehrern, bestenfalls noch vom Bürgermeister, geführt und gepflegt wird. Dieser Wahn mit den ahnungslosen Bürokraten, die ernsthaft glauben, daß man Kinder zu nützlichen Mitgliedern der bestehenden Gesellschaft erziehen müsse, hat sich erst in den letzten Jahrzehnten entwickelt und ist immer schlimmer geworden. Das liegt aber nun nicht an diesen Amtstypen, sondern einfach an den Eltern und Lehrern, die sich das gefallen lassen. Wer mit wachem Geist mal das BGB liest, findet dort unter anderem, warum der nachgeordnete Schulzwang ohnehin obsolet ist: Dort heißt es, daß sich Eltern strafbar machen, die ihre Kinder wissentlich in eine sie gefärdende Situation bringen.
    Also, es ist die natürliche und selbstverständliche Aufgabe der Eltern, über die Bildung Ihrer Kinder zu wachen. Der oben zitierte R. Steiner wäre nur entsetzt über die Entwicklung, die die für eine ganz bestimmte Situation von ihm mitentwickelten Waldorfschulen heute genommen haben. Wir sind einfach nur selbst verantwortlich und zuständig und genau diese Bewußtseinshaltung ist die einzige Chance, am Bestehenden etwas ins Sinnvolle zu verändern. Sonst wird es konsequenter Weise nur immer schlimmer werden, falls das überhaupt noch geht. Staat ist, so wie er heute sich darstellt, immer der schlimmste Feind der Menschen und kann daher richtigerweise auch nur so wirken, wie er es heute erfolgreich tut. Daran ist nichts zu drehen oder korrigieren, Bildung müssen wir schon selbst in die Hand nehmen. In diesem Sinne ein wichtiger, bewußtseinweckender Artikel, dankeschön!

  6. Gewaltenteilung / Gewaltentrennung und Rechtsstaat existieren nicht!
    Es wird schon in Schulen und Universitäten irreführend behauptet und gelehrt, dass das Wirklichkeit ist, was nach der Zielvorstellung des Grundgesetzes Wirklichkeit sein soll. Die Organisationsstrukturen des kaiserlichen Obrigkeitsstaates blieben bis heute erhalten (vgl. http://gewaltenteilung.de.preview.web01.linux.cnsmr.serviceprovider.de/idee#19). Die Obrigkeit hat immer ihre „Wissenschaft“, die den Machtinteressen dient. Auch Kriege bzw. Morde werden damit gerechtfertigt. In der ehemaligen DDR brachte das System auch unzählige Märchenbücher und Märchenerzähler hervor, die das System anpriesen (und dafür Vorteile hatten). Geholfen hatte das der Oberschicht auf Dauer nicht.
    Nicht zu verachten ist der vom Mehrparteiensystem unabhängige Gruppenegoismus, das „Krähensystem“ des „Staatsapparates“ wie „Behördenegoismus“ und „Justizkumpanei“.
    Es gibt keine grausamere Tyrannei als die, welche unter dem Deckmantel der Gesetze und mit dem Scheine der Gerechtigkeit ausgeübt wird; denn das heißt sozusagen Unglückliche auf der Planke ertränken, auf die sie sich gerettet haben (vgl. Montesquieu).
    Dieses „Ertränken“, die Tyrannei, scheint die Staatsnorm zu sein. Gesetze und die Gesetzeslücken füllende Rechtsprechung sowie andere Tatsachen werden ignoriert! Der für einen Rechtsstaat dringend zu gewährende Anspruch auf rechtliches Gehör, der auch im Grundgesetz verankert ist, wird oft nicht gewährt, auch das zusätzliche Rechtsmittel „Gehörsrüge“ prallt am Rechtssystem ab (vgl. z.B. http://www.lhr-law.de/magazin/der-aussichtsloseste-rechtsbehelf-der-welt).
    Ein Problem war und ist der Missbrauch von Macht und Recht (vgl. auch http://ubt.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2011/695/pdf/25_Kopp_EBook.pdf).
    Entgegen der derzeit propagierten Rechtsansicht, nach der Grundrechte nicht angetastet werden dürfen, wird die Rechtsansicht der Nazi-Juristen angewandt, nach der Menschenrechte des Bürgers, nicht vor der Willkür und Allmacht des Staates zu schützen sind (vgl. http://grundrechteforum.de/227559).
    Dass Rechtsbrüche und Rechtsbeugungen systemkonform sind, wird u.a. auch von einem Ex-Richter bestätigt (vgl. http://www.odenwald-geschichten.de/?p=1740).
    Der Rechtsstaat steht nur auf dem Papier. Der positive Sinngehalt der einschlägigen Gesetze wird in den Köpfen der zuständigen Beamten derart deformiert, dass vom ursprünglichen Gesetzeszweck so gut wie nichts davon übrig bleibt. (vgl. http://www.wengert-gruppe.de/wengert_ag/news/2003/SteuerstrafverfinDeutschland.pdf).
    Gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen (nebst Justizministerien, Petitionsausschüssen etc.) fehlt wegen Verdrehungsabsicht zumeist eine plausible Begründung, oft sogar die Sachbezogenheit. Hauptverantwortlich für das perfide Rechtschaos mit Methode sind die Parlamentsabgeordneten, das Bundesverfassungsgericht und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (von http://unschuldige.homepage.t-online.de/default.html). Die Menschenrechtsopfer sind bis zum Europäischen Gerichtshof im Durchschnitt nach 15 Jahren finanziell, gesundheitlich und sozial abgebrannt. Und wenn die Menschenrechtsverletzung in wenigen Fällen festgestellt wird, wird nicht entschädigt und rehabilitiert, sondern an das kranke System zurück verwiesen, in welchem der Horrortrip weitergeht. Sinn und Zweck des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist, den Menschen eine Illusion von einer heilen Welt der Menschenrechte vorzuspielen. Es rechnet sich immer wieder für die Regierungen als “Billigung und Belohnung” Straftaten gegen die Menschenrechte zu begehen (vgl. http://derhonigmannsagt.wordpress.com/tag/europaischer-gerichtshof-fur-menschenrechte/).

  7. Der Prozess müsste in erster Linie von Lehrern und Eltern ausgehen, die immer mehr freie, vom Staat unabhängige Schulen gründen und dadurch dem Staat die Schüler abgraben. Also vor allem bei den Lehrern müsste das Bewusstsein ihrer Unfreiheit und Instrumenatlisierung wachsen.
    Das ist genau der Punkt. Wir haben vor 24 Jahren uns auf den Weg gemacht und eine freie Schule mit anderen Eltern und Lehrern gegründet in Anlehnung an den Lehrplan von Rudolf Steiner. Vieles ist möglich, wenn sich die Menschen aus freiem Willen heraus zusammentun.

  8. Macht der Eliten bedeutet immer Macht des Staates. Die Eliten kontrollieren den Staat. Wer das nicht versteht, dem ist nicht zu helfen.

    Am Ende des 18. Jahrhunderts hatten wir eine europaweite Volksrevolution gegen die Macht der Eliten. Dannach waren die Leute sehr frei. Erst anfangs 20. Jahrhunderts haben die Eliten wieder so richtig Macht zugelegt. Das Schulobligatorium wurde in den meisten Ländern anfangs 20. Jahrhunderts eingeführt. Jetzt sind wir wieder in der gleichen Situation wie kurz vor der französischen (europäischen) Revolution. Die „Neue Weltordnung“(Weltherrschaft der Eliten) begann mit dem Ende des 2. Weltkrieges. Jetzt ist sie bald am Ende.

    Die Macht der Eliten ist heute riesig, die Völker versklavt. Bald gibt es die nächste Volksrevolution. Astrologisch bewiesen. Pluto kreist einmal um die Sonne alle ca. 250 Jahre. Jedesmal wenn Pluto im Steinbock ist (jetzt 2008-2023), nimmt der Druck massiv zu. Wenn Pluto dann in den Wassermann zieht (das nächste Mal im 2023), dann entlädt sich das ganze in einer Volksrevolution. Die Eliten werden massiv zurückgeschnitten, wie ein verwilderter Busch.

    Die Geschichte der Menschheit ist KEINE „Entwicklung“, sondern wie Ebbe und Flut, die sich stets wiederholen. Man kann das zurückverfolgen. Französische Revolution, Reformation usw…

  9. Das Letzte (Okt. 2015):
    die Hälfte aller Collegeschüler in den VSA wünscht sich eine Regulierung des Rechts auf freie Rede.
    http://www.zerohedge.com/news/2015-10-25/death-first-amendement-majority-college-students-now-favor-regulation-free-speech
    An vielen Bildungseinrichtungen dort ist das schon üblich.

    Die Bürger sollen frei entscheiden?
    Leider nicht mehr in der Mediathek, daher hier nur die allerletzte Minute.
    Eine Lesepatin besucht eine Hartz-lV-Familie.

    Für die folgenden zwei Minuten bitte das nächste Video klicken.
    Wenn das nicht Argument genug für verpflichtende staatliche Angebote ist, dann weiß ich nicht weiter.
    (Mich hat dieses Video sehr berührt. Es ist eine unglaubliche Schande, wie man deutsche Kinder verkommen läßt.
    Kenne sowas nur noch aus der neoliberalen Dritten Welt.)

  10. danke für den Link. Lesepaten, die ehrenamtlich arbeiten. Soweit ist es schon in unseren Schulen.
    Das kann doch keine Dauerlösung sein. Ich vermute dahinter steckt System. Erschreckend.

Kommentare sind geschlossen.

%d Bloggern gefällt das: