Die EU ist nicht für die inhaltliche und strukturelle Gestaltung des Schulwesens in den EU-Staaten zuständig. Diese liegt ausschließlich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten selbst. Das ist im Lissabon-Vertrag von 2007 festgehalten und auch vom Bundesverfassungsgericht in seinem „Lissabon-Urteil“ von 2009 ausdrücklich als eine nicht übertragbare Kernkompetenz nationaler Souveränität hervorgehoben worden. Die EU sieht sich daher laut Webseite „EU-Bildungspolitik“ „lediglich für die Durchführung von Maßnahmen zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der nationalen Maßnahmen der Mitgliedstaaten zuständig.“ Das klingt harmlos und vernünftig. Dahinter verbirgt sich aber der Wille des potentiellen europäischen Einheitsstaates, auch das Bildungs- und Kulturleben der europäischen Völker, die schon jetzt bevorzugt „Regionen“ genannt werden, zu beeinflussen und letztlich auch im Sinne eigener Zielsetzungen zu regeln und zu lenken.
Dabei muss man sich vor Augen führen, dass die EU schon von ihrem Ursprung her eine einseitige wirtschaftspolitische Interessengemeinschaft ist. In die Quasi-Verfassung des Lissabon-Vertrages ist der „Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ aufgenommen. Dies bedeutet, wie auch der Staatsrechtler Prof. Schachtschneider feststellt, die rechtlich verpflichtende Festlegung auf die Interessen einer global uneingeschränkten kapitalistischen Wirtschaftsweise, d. h. auf die Interessen der Kapitalbesitzer (http://de.scribd.com/doc/50186526/Schachtschn-Lissab-Klage ).
EU-Bildungsstrategie
Der Europäische Rat (Staats- bzw. Regierungschefs) sah sich auf seiner Sitzung im März 2000 in der Entwicklung des Wirtschaftslebens voller Sorgen „mit einem Quantensprung konfrontiert, der aus der Globalisierung und den Herausforderungen einer neuen wissensbasierten Wirtschaft resultiert“, und er beschloss in aller Bescheidenheit, die EU „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen. Das heißt im Klartext: In einem solchen globalen profitorientierten Marktgeschehen müssten die Menschen von Jugend an in ihrem Wissen und Verhalten viel stärker auf die dort bestehenden Anforderungen vorbereitet werden. Das ließ sich jedoch mit den in ihren Augen rückständigen traditionellen Bildungssystemen der Mitgliedstaaten nicht erreichen. Was also tun, da man für die schulische Bildung nicht zuständig ist?
Man entwickelte listig einen indirekten Weg, den der Offenen Methode der Koordinierung. Die Mitgliedstaaten werden propagandistisch über politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Kanäle veranlasst, sich mit den von der EU gewünschten Zielen zu identifizieren, sie gemeinsam zu vereinbaren, mit Unterstützung der EU zu realisieren und ihr Erreichen gemeinsam zu überprüfen. Man überlässt den Mitgliedstaaten dabei die Formulierung und Umsetzung der scheinbar eigenen Politik, erreicht aber auf diesem Wege letztlich dasselbe wie auf dem Verordnungswege. Die Methode bietet also die Möglichkeit der politischen Steuerung ohne eine EU-Rechtssetzung, zu der man hier die Kompetenz (noch) nicht hat.
So verständigte sich folgerichtig der EU-Rat der Bildungsminister auf Vorschlag der EU-Kommission im Februar 2002 auf ein detailliertes gemeinsames „Arbeitsprogramm 2010 für die allgemeine und berufliche Bildung“ (http://www.eu-bildungspolitik.de/uploads/dokumente_bildungspolitik/2002_06_eu-arbeitsprogramm2010_de.pdf), durch das in allen Mitgliedsländern „eine einzige umfassende Strategie angewandt“ werden soll, so dass „die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung untereinander kompatibel“ sind. Die europäischen Bildungssysteme sollen dadurch einheitlich „in ihrer Qualität und Wirksamkeit“ so erhöht werden, dass sie „höchste Qualität“ erzielen und Europa in dieser Beziehung „als eine Bezugsgröße mit Weltgeltung anerkannt“ wird. Das bedeutet die Einebnung der Vielfalt der europäischen Bildungssysteme auf das Niveau einer gemeinsamen wirtschaftsorientierten Ausbildung. Die Durchführung soll noch „durch anderweitige Formen der europäischen Zusammenarbeit“ wie „vergleichende und prospektive (vorausschauende) Studien, statistische und andere Erhebungen“ unterstützt werden, die vielfach „auf den Arbeiten anderer internationaler Organisationen (wie OECD und Europarat)“ aufbauen oder diese ergänzen würden.
Unterstützung durch die OECD
Die Zusammenarbeit mit der OECD, einer weltweiten Wirtschaftsorganisation mit 34 Mitgliedstaaten,zu denen auch die meisten EU-Staaten gehören, liegt nahe, da die OECD schon lange im Interesse der Wirtschaft eine Umwälzung der nationalen Bildungssysteme für notwendig hält. Diese beruhten bis dahin wenigstens im Grundsatz noch auf der humanistischen Persönlichkeitsbildung. Da die Demokratie als Gesellschaftsform freier Menschen den sich selbst bestimmenden, eben freien Menschen voraussetzt, muss das Bildungswesen der Demokratie auch das vornehmste Ziel haben, die heranwachsenden Menschen zur Freiheit zu erziehen. Es muss sie so umfassend bilden, dass sie zum selbstbewussten Gebrauch all ihrer Anlagen und Fähigkeiten, ihres Denkens, Fühlens und Wollens und damit zur selbstbestimmten, selbstverantwortlichen Gestaltung ihres eigenen und des gesellschaftlichen Zusammenlebens imstande sind. Nur dadurch sind sie auch fähig, gewordene Verhältnisse und Strukturen, die stets zur Erstarrung neigen, immer wieder an die Bedürfnisse des sich weiter entwickelnden freien Menschen verändernd anzupassen. In den demokratischen Verfassungen der deutschen Bundesländer und ihrer Schulgesetze sind diese Ziele auch mehr oder weniger deutlich verankert.
Bereits 1961 hatte die OECD auf einer Konferenz in Washington über „Wirtschaftswachstum und Bildungsaufwand“, den Plan gefasst, das kulturelle Verhalten der Völker, das den bisherigen Bildungssystemen und -zielen zugrunde liegt, gründlich zu verändern. Ausdrücklich ging es darum, alle tradierten Vorstellungen in den in ihren Augen rückständigen Ländern außer Kraft zu setzen.
„So heißt es im Bericht zu der genannten Konferenz, es ginge im Hinblick auf die Entwicklungsländer um nichts weniger, ´als dass Millionen Menschen von einer Lebensweise losgerissen werden sollen, die seit Jahrhunderten und Jahrtausenden das Lebensmilieu ausmachte`. Alles, was bisher an Schule und in der Erziehung in diesen Ländern geleistet wurde, habe soziale und religiöse Ziele verfolgt, die vorwiegend „Resignation und spirituelle Tröstung gewährten; Dinge, die jedem wirtschaftlichen Fortschrittsdenken glatt zuwiderlaufen“. Diese jahrhundertealten Einstellungen zu verändern sei vielleicht die schwerste, aber auch die vordringlichste Aufgabe der Erziehung in den Entwicklungsländern. Wohlgemerkt zählt die OECD dabei auch die Nationen Europas zu ebendiesen Entwicklungsländern. So bezeichnet sie gerade Deutschland, ´mit seiner dezentralisierten Schulverwaltung (. . .), was die Erziehungsplanung angeht, auch als ein etwas unterentwickeltes Land.´ Folglich geht es darum, auch Deutschland bei der Bildung einer kulturellen Entwurzelung zu unterziehen.“ (Silja Graupe/Jochen Krautz in: http://bildung-wissen.eu/wp-content/uploads/2013/12/Graupe_Krautz_Anpassung_an_Scheinwelt.pdf)
Was für ein Menschenbild liegt solchen Zielen zugrunde? Hier wird die ungeheure kulturelle Dimension dieser gewaltigen Umwälzung der Bildung deutlich. Der Mensch soll nicht mehr im Sinne der christlichen Humanitätsideale Europas, also zur autonomen, sich selbst bestimmenden Individualität gebildet, sondern zu immer neuer Anpassung an die abstrakten Anforderungen der Wirtschaft befähigt werden. Anpassungsbereitschaft und -fähigkeit gelten der OECD als Schlüsselkompetenzen. „So heißt es 1961 in unmissverständlicher Offenheit: ´Heute versteht es sich von selbst, dass auch das Erziehungswesen in den Komplex der Wirtschaft gehört, dass es genauso notwendig ist, Menschen für die Wirtschaft vorzubereiten wie Sachgüter und Maschinen. Das Erziehungswesen steht nun gleichwertig neben Autobahnen, Stahlwerken und Kunstdüngerfabriken.´“ Intellektuelle Fähigkeiten gelten als eine Form des wirtschaftlichen Kapitals, das wie ein Spinnrad oder eine Getreidemühle als Produktionsfaktor wirtschaftlichen Ertrag bringt. (Graupe/Krautz a.a.O.)
In vergleichenden Schulleistungstests, die in allen Ländern durchgeführt werden, sieht die OECD den effizientesten Weg, Einfluss auf das Verhalten souveräner Staaten auszuüben. So wurde im Jahr 2000 der erste in einer Reihe von PISA-Tests gestartet, die zum Ziel haben, im Wirtschaftsleben benötigte Kompetenzen 15-Jähriger zu messen, also die Fähigkeit, sich an die ökonomischen Erfordernisse flexibel anzupassen. Die Effizienz entsteht durch die “naming and shaming technique”: Wer nicht dem Pisa-Kodex entspricht, wird am medialen Pranger bloßgestellt. Der damit inszenierte „PISA-Schock“ löste überall in den Ländern das Verlangen aus, durch eine sofortige Bildungsreform beim nächsten Test unbedingt besser abzuschneiden. Um im Bildungsland Deutschland mit dem Schock sicher zu gehen, ließ man hier die Sonderschüler an der Studie teilnehmen. (http://pisawortlaut.wordpress.com/zur-kritik-an-pisa/ ) Das OECD-Konzept entwickelte sich zum neuen Maßstab für Bildungserfolg, und Lehrpläne, Standards und zentrale Prüfungen wurden entsprechend darauf zugeschnitten. So schaffen die Tests in der Bevölkerung eine Atmosphäre, in der die EU ihre ökonomistischen Bildungsziele leicht realisieren (lassen) konnte und kann.
Die Rolle des Bundesbildungsministeriums
In diesem Prozess spielt das Bundesbildungsministerium, im EU-Rat der Bildungsminister an der EU-Bildungsstrategie beteiligt, die besondere Rolle eines bildungspolitischen Verbindungsgliedes. Nach seiner Webseite sieht es sich auch „verantwortlich für die Gestaltung und den Ausbau der internationalen Zusammenarbeit in Bildung und Forschung. Diese reicht von der Europäischen Union und Europa über die weltweit gepflegten bilateralen Beziehungen bis hin zur Vertretung in multilateralen Gremien, wie z.B. in der OECD und den Vereinten Nationen.“
Das Bundesministerium hatte also als EU-Scharnier dafür zu sorgen, dass das EU- „Arbeitsprogramm für die allgemeine und berufliche Bildung“ in Deutschland von den Bundesländern, die eigentlich für das Schulwesen jeweils zuständig sind, folgsam realisiert wird. So verkündete auch am 18.2.2003 die damalige Bundesbildungsministerin im Kabinett Schröder, Edelgard Bulmahn, auf einer Pressekonferenz das neue Bildungskonzept für Deutschland und stellte dazu eine Studie ihrer wissenschaftlichen Hilfstruppen „Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards“ vor (http://www.bmbf.de/pub/zur_entwicklung_nationaler_bildungsstandards.pdf). Gleich zu Eingang führte sie in die Thematik mit den Worten ein:
„Das schlechte Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler bei der Internationalen PISA-Vergleichsstudie hat die großen Mängel des deutschen Bildungssystems offenbart.“ Dann nannte sie, was als erstes geändert werden müsse: „1. Wir müssen stärker die Ergebnisse unseres Bildungswesens in den Blick nehmen, d. h., wir müssen den Wechsel von einer Input- zu einer Output-Steuerung vollziehen. 2. Zwischen Bund und Ländern besteht Konsens über die Einführung national verbindlicher Bildungsstandards. Aber die Studie zeigt uns auch, dass Bildungsstandards Kompetenzstandards sein müssen.“ (S. 177, 178 auf obigem Link)
Die Begriffe input (engl.: Eingabe) und output (engl.: Ergebnis) stammen aus dem angelsächsischen Wirtschaftsleben und bezeichnen den mengenmäßigen Einsatz von Produktionsfaktoren (input) bzw. den mengenmäßigen Ertrag (Ausstoß) an Produkten. Die Anwendung dieser Begriffe in den letzten Jahren auf die Steuerung des Bildungssystems zeigt schon den Wechsel zu einem Paradigmenwechsel im Denken selbst auf: von einem am Menschen orientierten pädagogischen zu einem von den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen und Interessen ausgehenden ökonomisierten Denken, welches das Bildungswesens wie einen großen Produktionsprozess betrachtet, in den nur das Richtige eingegeben werden muss, damit auch die „pädagogischen Produkte“ in genügender Zahl herauskommen, die von der bestehenden Wirtschaft gefordert werden. Der Mensch wird zum „Humankapital“, Bildung zur Ware und damit zum Gegenteil von wahrer Bildung. (Vgl. die hervorragende Untersuchung von Jochen Krautz: Ware Bildung, Diederichs 2007). Die bisherige Bildungspolitik, deren Ziele noch in den früheren Verordnungen und Lehrplänen ausformuliert wurden, wird von diesem Denken als unzureichende Input-Steuerung bezeichnet. Sie müsse von einer neuen Steuerung abgelöst werden, die ihr Hauptaugenmerk auf die konkreten Ergebnisse des Outputs richten müsse, für die messbare Standards festzusetzen seien.
„Bildungsstandards benennen Ziele für die pädagogische Arbeit, ausgedrückt als erwünschte Lernergebnisse der Schüler.“ „Die Bildungsstandards legen fest, welche Kompetenzen die Kinder oder Jugendlichen bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe erworben haben sollen“ (S. 21 der Studie). In einer Reihe von über dreißig weiteren vom Bundesbildungsministerium herausgegebenen Studien ist die mit dem Titel „Qualität entwickeln – Standards sichern – mit Differenzen umgehen“ besonders aufschlussreich. Hier wird von vorneherein klargestellt, dass Kompetenzen in ihrem Erwerb immer auf konkrete Lebensbereiche und -situationen, sowie deren Anforderungen angewiesen seien, auf die sie sich beziehen und in deren spezifischen Rahmen sie zu konkreten Lernleistungen und Problemlösungen befähigen sollen. Auf allgemeine, fachübergreifende Persönlichkeitsmerkmale und intellektuelle Kompetenzen, die sich nicht als Leistungen für Problemlösungen direkt beobachten lassen, kommt es dabei nicht an. Es sollen bestimmte Begriffs- und Verhaltensschemata veranlagt werden, „habituell gewordene Denkstrukturen, die auf intelligente Formen der Anpassung zurückzuführen sind.“ Bildung in diesem Sinne heißt also: Anpassung der Schüler an bestehende rechtliche und wirtschaftliche Strukturen, innerhalb derer sie sich bewegen können sollen. Jürgen Oelkers, einer der beiden Hauptautoren, ist stark von dem amerikanischen Pädagogen John Dewey beeinflusst, der der philosophischen Linie des Pragmatismus angehörte und mit Geldern der Rockefelder-Foundation das US-amerikanische Bildungssystem neu ausgerichtet hat. Hier wird die Verbindung des ohne vertiefte Erkenntnis auf zweckrationales Handeln gerichteten amerikanischen Pragmatismus zur EU-Gesellschaftspolitik deutlich. (Vgl. die ausgezeichneten Analyse von Lars Grünewald „Schule ohne Abschluss“, S. 12 ff. http://www.selbstorganisierte-bildung.de/nachlesen/vortrag-schule-ohne-abschluss )
Zugrunde liegt dieser sich als „Wissenschaft“ gebenden Bildungstheorie letztlich das auf den nackten Egoismus reduzierte Menschenbild des „homo oeconomicus“, des Menschen, der unentwegt und in jeder Lage darauf aus ist, seinen Nutzen bzw. Vorteil zu maximieren. Der Mensch wird nicht als Subjekt, als ein Wesen betrachtet, das sich unter dem Einfluss von Moral und Sittlichkeit zu Höherem entwickeln kann und soll, was seine Würde ausmacht, sondern als Objekt sowohl seines eigenen animalischen Eigennutzes wie den anderer Akteure der ökonomischen Kampfgesellschaft.
Das Instrument der hierarchischen Struktur des Staates
In erstaunlich kurzer Zeit war das neue EU-Bildungskonzept in den deutschen Bundesländern umgesetzt. Schon 2004 verkündete das Kultusministeriums von Baden-Württemberg auf seiner Webseite stolz: „Mit den neuen Bildungsplänen wird ein grundlegender Paradigmenwechsel in den verbindlichen Vorgaben für den Unterricht an unseren Schulen vollzogen.“
Man muss sich vor Augen führen, dass eine solch ungeheure innere Umwälzung des Bildungswesens, wie sie sich bereits weitgehend vollzogen hat, nur durch das System der hierarchisch aufgebauten staatlichen Schulorganisation möglich ist, in dem die Spitzen als wenig reflektierende Handlanger oder bewusste Kollaborateure gewonnen oder die Stellen entsprechend neu besetzt werden.
Ein solcher ökonomistischer Imperialismus, der eine gewachsene Kultur in ihrem Bildungswesen umpolt und damit letztlich entwurzelt, kann nur in einem von Staat und Wirtschaft unabhängigen, freien Bildungswesen, das sich koordinierend selbst verwaltet, verhindert werden. (Siehe: https://fassadenkratzer.wordpress.com/2013/12/20/das-staatliche-schulsystem-als-relikt-des-obrigkeitsstaates/ )
Saubere Arbeit, vielen Dank.
Seit langen läuft schon das Experiment mit der Wa(h)re Bildung auch in unserem Land, und die Auswirkungen auf die Gesellschaft kann man nur als katastrophal bezeichnen. Danke für die ausführliche Analyse.
Danke vielmals für den ergänzenden Hinweis aus Ihrer Erfahrung.
Wenn man mal das Buzzword-Bingo der EU beiseite lässt (also Worte wie „wettbewerblich“) und statt dessen auf Fakten konzentriert, stellt man schnell fest: Die EU ist keineswegs marktradikal. Marktradikal wäre, wenn (wie in Schweden) der Staat Bildungsgutscheine verteilt und Eltern sich selbständig und frei eine Schule aussuchen können und mit diesen Scheinen bezahlen.
Was die EU statt dessen versucht, ist das genaue Gegenteil: Unter dem Tarnmantel der „Harmonisierung“, „Gleichstellung“ und „Toleranz“ wird beständig immer stärker in freie Strukturen eingegriffen und Wettbewerb zwischen z.B. Schulen und vor allem Schulsystemen unmöglich gemacht.
Der korrekte Begriff für die EU ist daher Meinungs- oder Gesinnungsdiktatur. Ob das ganze jetzt als (real-) sozialistisch oder faschistisch bezeichnet wird, ist dabei erstmal irrelevant. Sowohl im Faschismus als auch im Sozialismus gab es jeweils harte Vorschriften von Seiten des Staates wie Bildung zu funktionieren hat und welche Meinung denn die jeweils richtige sei. Im Unterschied zum liberalen, bürgerlichen Staat.
Da liegt ein Missverständnis vor. Gemeint habe ich die Anpassung der Bildung an die Anforderungen der marktradikalen Wirtschaft, wie es im Text dann ja auch ausgeführt ist.
Inhaltlich gebe ich Ihnen vollkommen recht.
Die Eurokraten errichten derzeit eine Lobbykratische Diktatur in Brüssel, aber niemanden interessiert dieser Skandal.
-Juncker der Bankster Lobbyist.
-Draghi ein Agent von Goldman Sachs
-Lagarde die frühere Rechtsanwältin und Beraterin von US Hedge Fonds
-Regling ebenfalls ein Mann aus dem Bereich von Hedge Fonds
und es wird immer dreister im Korporatismus Staat namens EU:
https://www.lobbycontrol.de/2014/09/fatale-fehlbesetzung-finanzlobbyist-jonathan-hill-soll-finanzmarkt-kommissar-werden/
https://www.lobbycontrol.de/2014/09/inakzeptabler-seitenwechsel-eu-bankenreguliererin-wechselt-zur-finanzindustrie/
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/09/18/neue-eu-kommissar-fuer-energie-ist-ein-mann-der-erdoel-industrie/
Vorschläge der österreichischen Industriellenvereinigung zu einer Bildungsreform:
http://diepresse.com/home/bildung/schule/4898227/Industriellenvereinigung-will-Schulfaecher-komplett-umkrempeln
Der Wettbewerb zwischen Schulen ist nicht unbedingt sinnvoll, sinvoller ist die Kooperation zwischen Schulen bzw. Institutionen des Bildungswesen und Erfahrungsaustausche etc. Mit der EU-Einmischung in unser Schulsystemen wird aber der Wettbewerb und die „Nicht-Kooperation von Bildungseinrichtungen“ gerade befördert, nur eben dass nicht die (Markt-)Teilnehmer diejenigen sind, an denen er ausgerichtet wird und welche (durch Nachfrageverhalten) belohnen oder sanktionieren, sondern es sind im Rahmen einer freiwilligen Verpflichtung über das Instrument der (im Artikel erwähnten) „Offenen Koordinierung“ (weil Bildung nationale Hoheit ist, die EU kann da rechtlich nur über freiwillige Kooperation was machen) die Vorgaben des Staates bzw. der EU, an denen der „Wettbewerb“ ausgerichtet ist, und zwar mittels des Instruments einer nationalen (seit 2006, alle 2 Jahre) und kommunalen (nach 2006, Turnus alle 1 bis 2 Jahre) Bildungsberichterstattung (PISA ist nur ein kleiner Teil vom Puzzle), was dann an die EU reportet wird. Daher gehe ich im Folgenden darauf ein.
Diese Bildungsberichterstattung als ist streng indikatorenbasiert (die Indikatoren sind vorgegeben, und es sollen sich alle Bildungsberichte danach richten) und stellt in der Sache ein Controllinginstrument dar, welches mit einem aus der Wirtschaft bekannten Benchmarking die Performance von Schulen, ihrer Leitung und ihrer Lehrkräfte misst. Und zwar wird die Performance von der EU definiert und von den Nationalstaaten so abgesegnet, denn dazu sind ja die Indikatoren da, die die „Performance“-Größen abbilden sollen.
Und durch dieses Instrument Bildungsberichterstattung, also die Messung von Performance-Größen in Bildungsberichten, wird die Kollektivität und Kooperation zwischen den beteiligten Schulen sukzessive durch Markt und Wettbewerb resp. Konkurrenz ersetzt und unter den Bildungssystemen zwischen den Nationen und Regionen erzwungen werden (es wird in Zukunft sicherlich auch Auswirkungen auf die Mittelzuteilungen haben). Die EU/der Staat/die Kommunen kontrollieren und vergleichen die von ihnen (von der EU) festgelegten “Outputs“ bzw. die „Performance-Kennzahlen“ ausgewählter Bereiche.
Pädagogische Freiheiten werden durch eine betriebswirtschaftliche Steuerung abgeschafft, Schulen werden zu „Betrieben“, Schulleiter werden zu „Unternehmensleitern“. Hierbei wird ein entscheidender Aspekt übersehen: Performance-Größen bilden nicht die ganze, immer vielfältiger werdende Lebenswirklichkeit ab (Standardisierung vs. individuelle Förderung). Lehrer und Schulen müssen daher zwingend auf ihre Erfahrungen und einem guten Gespür für ihr pädagogisches Handeln im Hinblick auf Qualitätsaskpekte zurückgreifen.
Die Verantwortlichkeit für die Vertretbarkeit und Sinnhaftigkeit ihres Handelns kann daher nicht bestimmten Output-Größen untergeordnet werden. Aber: Das ist eben nicht mehr gewollt. Es ist nicht mehr das Humboldtsche Bildungsideal eines ganzheitlich gebildeten Europäers erwünscht, sondern selbst allgemeine Bildung dient nur noch der Erlangung von ökonomisch verwertbaren Kompetenzen. Es wird vom Bildungswesen die Ansicht vertreten, dass Kompetenzen erlangt werden können, ohne Inhalte zu lehren bzw. zu lernen. Das ist wie Kochen ohne Zutaten.