Die Raubzüge des IWF in Europa

Hinter der ehrenwerten Fassade einer international hilfreichen Finanzorganisation arbeitet der IWF als ein Interessen-Instrument des internationalen Finanzkapitals zur Maximierung der Profite. Seine Mittel sind die Mechanismen der Kreditwirtschaft. Ist ein Land durch großzügige Kredite der Banken in finanzielle Schwierigkeiten gelockt, so dass es auf dem Finanzmarkt keinen Kredit mehr erhält, ist der IWF als „Kreditgeber letzter Instanz“ zur Stelle und erzwingt rigorose Spardiktate um den Schuldendienst für sich und die internationalen Banken aufrecht zu erhalten. (vgl. Der Internationale Währungsfonds). Das Land befindet sich im gnadenlosen Würgegriff der US-Hochfinanz, durch die die arbeitende Bevölkerung buchstäblich bis aufs Blut ausgenommen wird. Und der Staat verliert seine finanzielle, wirtschaftliche und politische Selbständigkeit – das Ziel, das letztlich dahinter steht. Weltherrschaft besteht heute weniger in militärischer als in finanzkapitalistischer Unterjochung durch das Instrument der Kredit-Schulden-Spirale, die derart abgesichert wird, dass es aus ihr kein Entkommen geben soll.

Den Raubzügen des IWF ist Ernst Wolf in seinem verdienstvollen Buch „Weltmacht IWF“ detailliert nachgegangen. Wesentliche Züge daraus sollen hier in Bezug auf die Wirksamkeit des IWF in Europa nachgezeichnet werden.

Jugoslawien

Ein besonders dunkles Kapitel ist die Arbeit des IWF im ehemaligen Jugoslawien in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Jugoslawien hatte 1948 mit der Sowjetunion gebrochen, sich vom Ostblock abgewandt und einen eigenen Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus eingeschlagen. „Für die USA spielte Jugoslawien wegen seiner strategischen Lage am Rande des ölreichen Nahen Ostens und im Rahmen der Strategie der ´Eindämmung` des sowjetischen Einflusses als Front- und Pufferstaat eine so wichtige Rolle, dass sie dem Land die Mitgliedschaft im IWF gewährten und dafür sorgten, dass amerikanische Banken es durch großzügige Kredite unterstützten. In der Zeit des Nachkriegsbooms erlebte die jugoslawische Wirtschaft deshalb einen kräftigen Aufschwung.“1

Von 1966 bis 1979 wuchs die Industrieproduktion um durchschnittlich 7,1 % pro Jahr. Da die Produkte im Westen aber nur bedingt konkurrenzfähig waren, flossen zur Schuldentilgung zu wenige Devisen ins Land zurück. Die Auslandsverschuldung stieg daher zwischen 1966 und 1980 von 1,4 auf fast 20 Mrd. US-Dollar und damit auf ein Viertel des Nationaleinkommens an.2 „Die US-Hochzinspolitik Ende der siebziger Jahre verteuerte die Rückzahlung der Kredite schlagartig und beunruhigte zusammen mit der anschwellenden Inflation die internationalen Gläubiger.“ Ein Großteil der westlichen Banken verlangte Anfang der achtziger Jahre sein Geld zurück und verweigerte weitere Kredite. „Der IWF sprang mit einem Stand-by-Kredit ein und forderte als Gegenleistung eine Steigerung des Exports, eine Drosselung der Inflation und eine Kürzung der Staatsausgaben.“ Ein weiterer Kredit von 600 Millionen Dollar wurde an die Bedingung geknüpft, dass die Regierung und damit die Steuerzahler nicht nur die Haftung für öffentliche Schulden in Höhe von 5,5 Mrd., sondern auch für private Schulden von 10,9 Mrd. US-Dollar übernahm. Außerdem wurden die Betriebe verpflichtet, ihre Auslandsschulden auch dann zu bezahlen, wenn die Auszahlung der Löhne dadurch gefährdet wurde.

„Beide Maßnahmen wurden in enger Absprache mit dem US-Finanzministeriums und den Vertretern der Wall Street getroffen und orientierten sich offensichtlich an einer Entscheidungsdirektive (…) der USA, in der ´verstärkte Anstrengungen` gefordert wurden, ´um kommunistische Regierungen und Parteien` (…) ´in eine leise Revolution` zu stürzen.“3 Die beabsichtigten Folgen traten ein: Betriebe brachen reihenweise zusammen, die Arbeitslosigkeit schnellte in die Höhe, die Durchschnittslöhne sanken bis 1985 um 40 %. Trotz Zins- und Tilgungszahlungen bis 1988 von 30 Mrd. US-Dollar wurde Jugoslawien zum höchstverschuldeten Land Europas. 1989 gingen knapp 250 Betriebe in den Bankrott, 1990 folgten fast 900 Betriebe und eine halbe Million Menschen wurden arbeitslos. Auf Anordnung des IWF wurden Löhne auf dem Niveau vom November 1989 eingefroren, und 1993 erreichte die Inflation 1.134 %. Die Lebensbedingungen der breiten Bevölkerung sanken auf das Niveau eines Entwicklungslandes.

Durch die Verschlechterung der Lage für die einfache Bevölkerung wuchsen stark die Spannungen in den einzelnen Republiken, die vom sozialen Niedergang sehr unterschiedlich getroffen wurden, am härtesten Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und der Kosovo. Dies nutzten rechte Politiker aus, die begannen, nationalistische und separatistische Töne anzuschlagen, die immer mehr Anhänger gewannen. Die ersten Rufe nach der Unabhängigkeit einzelner Provinzen ertönten. Die USA unterstützten diese Bestrebungen, durch die die Region nach dem Motto „teile und herrsche“ (man könnte mit Volker Pispers auch sagen „dividende et impera“) geopolitisch zu strategischen Bündnispartnern gemacht werden konnten.

Der IWF stellte die Bedingungen, den Handel vollständig zu deregulieren – was zur Überschwemmung des Marktes mit vor allem europäischen subventionierten Waren führte -, Kredite der eigenen Zentralbank an die Zentralregierung einzustellen und Kürzungen der Staatsausgaben von 5 % des Bruttoinlandproduktes – zu Lasten der Sozialleistungen – vorzunehmen. Die folgenreichste vom IWF zugunsten der Schuldentilgung erzwungene Maßnahme war aber die Einstellung der Zahlungen an die Provinzen und Teilrepubliken. Darauf beendeten Kroatien und Slowenien umgekehrt ihre Zahlungen für den Ausgleichsfonds. Die nationalen Spannungen wuchsen, noch angefacht durch das Pochen der USA und Deutschlands auf das Selbstbestimmungsrecht der einzelnen Volksgruppen und die materielle Unterstützung der Separatisten. Es gelang, „26 ethnische Gruppen, die fast ein halbes Jahrhundert friedlich zusammengelebt hatten und deren Ehen zu 30 % zwischen verschiedenen Volksgruppen geschlossen worden waren, gegeneinander aufzuhetzen.“4

„Die Situation verschärfte sich, als die serbische Regierung unter Milosevic Anfang 1991 von der eigenen Nationalbank über 1,8 Mrd. US-Dollar drucken ließ, um ausstehende Staatslöhne auszubezahlen. (…) Die UNO antwortete mit einem Embargo, das im folgenden Jahr drastisch verschärft wurde. Im Juni 1991 erklärten Kroatien und Slowenien ihre Unabhängigkeit. Noch im selben Monat griff die jugoslawische Armee ein, es kam zum Zehn-Tage-Krieg gegen Slowenien, der sich schnell nach Kroatien verlagerte und dort zu einem bis 1995 andauernden Krieg führte, der sich 1992 auch auf Bosnien ausdehnte.“5

Der IWF reagierte auf die Situation, indem er die Mitgliedschaft Jugoslawiens einfror und dafür Slowenien und Kroatien als neue Mitglieder aufnahm, die 28,5 % bzw. 16,4 % der Altschulden Jugoslawiens übernehmen mussten, während der Löwenanteil von 36,5 % Serbien-Montenegro aufgebürdet wurde. Weitere Kredite waren nicht für die Beseitigung von Kriegsfolgen, sondern für die Bedienung der Altschulden bestimmt. Die Bedingungen des IWF führten in Kroatien z. B. zu noch mehr Firmenschließungen, zur Senkung der Löhne z. T. unter die Armutsgrenze und zur Erhöhung der Arbeitslosenquote auf 19,1 %.

Nach Beendigung der Kämpfe in Bosnien-Herzegowina durch die Nato erhielt dieses Land von den USA und der EU eine neue „marktorientierte“ Verfassung verordnet und wurde wirtschaftspolitisch dem IWF und der Weltbank unterstellt. Der Direktor der Zentralbank musste vom IWF ernannt werden und durfte kein Bürger des Landes oder eines benachbarten Staates sein. Die Konflikte im Kosovo führten schließlich zum vernichtenden Krieg von USA und Nato gegen Serbien, erstmals ohne Mandat der UNO. Der IWF und die deutsche Commerzbank erhielten die vollständige Kontrolle über das Bankensystem des Kosovo.

„Für den IWF schloss sich mit dem Ende des Kosovo-Krieges ein Kreis der besonderen Art. Seine durch Kredite erzwungene neoliberale Politik hatte die Voraussetzungen für die Destabilisierung der gesamten Region geschaffen. Er hatte dafür gesorgt, dass ein Land, das einst wirtschaftliches Wachstum, Vollbeschäftigung (…) und eine Lebenserwartung von 72 Jahren gekannt hatte, in Schutt und Asche gelegt und seine Bevölkerung auf den Status eines Entwicklungslandes zurückgeworfen worden war. Seine Programme hatten den Nährboden gelegt, auf dem die westlichen Geheimdienste und die vom Geld des Westens unterstützten Medien einen Feldzug starten konnten, der arbeitslose und verzweifelte Menschen dazu trieb, ethnische Verbrechen zu begehen, und schließlich dazu führte, dass rechtsgerichtete Nationalisten die Oberhand gewannen. Ohne die systematische Vorbereitung durch den IWF wäre die humanitäre Katastrophe der neunziger Jahre auf dem Balkan nicht möglich gewesen.“6 Sie kostete mehr als 100.000 Menschen das Leben.

IWF und Finanzkrise

Island, dessen Regierung sich Ende der achtziger Jahre im Zuge eines neoliberalen Reform-Programmes den internationalen Finanzmärkten geöffnet hatte, erlebte 2008 im Zuge der Weltfinanzkrise einen Zusammenbruch seines Bankensystems, das zum sofortigen Eingreifen des IWF führte.7 Sein in neun Raten ausgezahlter Kredit von 2,1 Mrd. Dollar wurde an Bedingungen geknüpft, die dazu führten, dass die Arbeitslosigkeit von 1 % auf 9 % emporschnellte, das Lohnniveau sank, 1 % der 300.000 Einwohner von Großküchen der Heilsarmee verpflegt werden mussten und etwa 8ooo Isländer das Land verließen. Island, dessen Lebensstandard zu den höchsten der Welt zählte, wurde in ein Niedriglohnland verwandelt.

Auch auf das voll vom Neoliberalismus ergriffene Irland, das die Garantie für Einlagen bei den irischen Banken in Höhe von 485 Mrd. Euro, dem 2,7-Fachen des Bruttoinlandproduktes, übernommen hatte, sprang 2008 die Weltfinanzkrise über.8 Die Rettungsmaßnahmen der Regierung waren schon ganz im Sinne der Richtlinien des IWF: Die Banken wurden mit Steuer-Milliarden aufgefangen und die Gesamtlast durch die Senkung des Lebensstandards in vollem Umfang auf die arbeitende und arbeitslos werdende Bevölkerung abgewälzt. 2010 erreichten die staatlichen Schulden die Höhe von 530 Mrd. Euro, 369 Mrd. davon bei europäischen Gläubigern, und die Regierung wandte sich hilfesuchend an die EU und den IWF. Die Bedingungen für einen 85 Mrd. Euro umfassenden Kredit von EU und IWF, zu dem dieser 22,5 Mrd. beisteuerte, hatten die üblichen knallharten Folgen, die den Lebensstandard der Bevölkerung weiter senkten, Banken und Konzerne, die in der Vergangenheit riesige Gewinne gemacht hatten, aber unangetastet ließen und den Gläubigern ihre Zins- und Tilgungszahlungen garantierten.

Nicht nur Irland hatte mit einer hohen Staatsverschuldung zu kämpfen. Die Einführung des Euro bzw. der Eintritt in die Eurozone hatte für die wirtschaftlich schwachen südeuropäischen Staaten die Folge gehabt, dass sie in einem Maße international kreditwürdig wurden, wie sie es vorher mit ihrer eigenen Landeswährung nie waren. Dies verführte sie zu einer ungeheuren Ausweitung der Staatsschulden, die immer weniger bedient werden konnten. Im Interesse der internationalen Banken, die bisher kräftig daran verdient hatten, musste sowohl die Insolvenz einzelner Staaten, als auch ihr Austritt aus der Eurozone unbedingt verhindert werden, da man neben den hohen Verlusten nicht nur die Existenz der für die Integration zum Bundesstaat so wichtigen europäischen Währungsunion, sondern das gesamte globale Finanzgefüge gefährdet sah.

Der IWF verbündete sich wie in Irland mit der gleichgesinnten EU und der EZB, die beide zusammen über gewaltige finanzielle Mittel verfügten und durch ihre schiere Größe und Machtfülle einzelne EU-Mitglieder unter Druck setzen und ihnen fast jede geforderte Maßnahme aufzwingen konnten. „Unter dem Namen Troika gingen die drei Organisationen ein geschichtsträchtiges Bündnis ein und machten sich umgehend an die Arbeit, um eine Aufgabe zu bewältigen, zu der es in der europäischen Geschichte keine Parallele gab: Die arbeitende Bevölkerung in mehr als einem Dutzend Ländern, die durch dieselbe Währung miteinander verbunden waren, zur Kasse zu bitten und sie für die Schäden aufkommen zu lassen, die eine winzige Minderheit von Finanzspekulanten in einer beispiellosen Bereicherungsorgie angerichtet hatte.“9 Der Lebensstandard der Bevölkerung in den südeuropäischen Ländern wurde in einem Umfang gesenkt, wie es der europäische Kontinent seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hatte.

Griechenland

Schon vor dem Eintritt in die Eurozone hatte die politische Klasse Griechenlands dem Finanzkapitalismus Tür und Tor geöffnet und Haushaltsdefizite laufend mit Krediten finanziert. Trotz eines Budgetdefizites von 6 % des Bruttoinlandproduktes (BIP), doppelt so viel wie in der EU offiziell erlaubt, und eines Schuldenstandes zum BIP von 103,7 %, erlaubt 60 %, gelang der Regierung mit Hilfe der US-Bank Goldman-Sachs durch Haushaltsmanipulationen die Aufnahme in die Eurozone.10 Die Mitteilung der neuen Regierung 2009, dass das gemeldete Budgetdefizit von 6 % voraussichtlich 12 – 13 % erreichen werde, löste in Brüssel höchste Alarmstufe aus. Die Schulden betrugen 130 % = 300 Mrd. Euro, die Griechenland nicht mehr bedienen konnte.

Auf den Hilferuf an IWF und EU gingen 2010 erste „Hilfskredite“ in Höhe von 110 Mrd., davon 30 Mrd. vom IWF, an Griechenland, die aber natürlich wie alle folgenden im wesentlichen an die Banken weiterflossen. Sie waren an zwei strenge Sparpakete gebunden: Kürzung der Beamtengehälter, Schließung von 600 Stadtverwaltungen, 80-prozentiger Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst, Anhebung des Rentenalters von 61,3 auf 63,4 Jahre und neben der Anhebung verschiedener Steuern eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 auf 23 %. Ein zweites „Hilfspaket“ über 130 Mrd. ein Jahr später erzwang u. a. die Entlassung von 150.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst bis 2015 und die Kürzung einer Reihe von Sozialleistungen, darunter im Gesundheitswesen, wo die Ausgaben bis 2015 um 1,43 Mrd. Euro gesenkt werden sollten.

„Im November 2011 zeigte sich, wie weit die parlamentarische Demokratie in Griechenland bereits ausgehöhlt war. Als Ministerpräsident Papandreou, dessen sozialdemokratische Partei PASOK wegen ihrer Zustimmung zu allen Sparpaketen an akutem Mitgliederschwund litt, eine Volksabstimmung über weitere Sparauflagen ankündigte, schritt die Troika sofort ein, verhinderte die Abstimmung und sorgte dafür, dass Papandreou umgehend ersetzt wurde – durch den ehemaligen Vizepräsidenten der EZB, Lukas Papadimos, der während der Einführung des Euros Gouverneur der griechischen Zentralbank gewesen und dessen Rolle bei der Verschleierung der öffentlichen Haushaltsbilanz mit Hilfe der Investmentbank Goldman-Sachs nie geklärt worden war.“11

„Mit dem vierten Sparpaket im Februar 2012 setzte in Griechenland ein Sozialabbau ein, wie ihn kein europäisches Land je in Friedenszeiten erlebt hatte.“ 15.000 Angestellte des öffentlichen Dienstes wurden mit sofortiger Wirkung entlassen, der Mehrheit der verbleibenden Angestellten die Gehälter rückwirkend zum Jahresbeginn um 20 % gekürzt. Der Mindestlohn für Erwachsene wurde auf 586 Euro, der für Jugendliche auf 525 Euro gesenkt und das Arbeitslosengeld auf 322 Euro herabgesetzt. Die Renten der Alten kürzte man um 10 – 15 %, erhöhte die Selbstbeteiligung an Medikamenten, schränkte die medizinischen Leistungen der Kliniken ein und strich den Ärzten die bezahlten Überstunden.12

Im November 2012 und März 2013 setzte die Troika zwei weitere Sparpakete durch. Die Renten über 1.000 Euro wurden um 5 – 15 % gesenkt, Bezüge im öffentlichen Dienst um 6 – 20 % und das Kindergeld für Familien mit über 18.000 Euro Jahreseinkommen ersatzlos gestrichen. Die Medikamentenzuzahlungen erhöhte man erneut und ergänzte sie durch eine Einweisungsgebühr für das Krankenhaus. 30 % der griechischen Bevölkerung verloren aufgrund dauernder Arbeitslosigkeit ihren Krankenversicherungsschutz. Der gesamte Gesundheitsetat wurde von 14 Mrd. im Jahr 2009 um ein Drittel auf 9,5 Mrd. Euro im Jahr 2012 gesenkt mit dem Ergebnis, dass 46 der insgesamt 130 Hospitäler geschlossen, die Budgets der restlichen um 40 % gekürzt und 26.000 Bedienstete, darunter 9.100 Ärzte, entlassen werden mussten. Die Suizidrate stieg von 2008 – 2013 um 40 %, die Zahl der HIV-infizierten Drogenabhängigen um mehr als das Zwanzigfache, Malaria, Tuberkulose, das West-Nil- und Dengue- Fieber breiteten sich aus. „Die erschütterndsten Zahlen dürften die 19-prozentige Zunahme von untergewichtigen Neugeborenen zwischen 2008 und 2010, der 21-prozentige Anstieg von Totgeburten zwischen 2008 und 2011 und die Zunahme der Kindersterblichkeit um 43 % zwischen 2008 und 2010 sein.“13

Der eiskalte Finanzkapitalismus im zivilisierten Europa geht im wahrsten Sinne über Leichen. Verträge, die unter Ausnutzung der Notlagen erzwungen worden sind, dienen den politischen Marionetten als scheinheiliges Argument, auf die Einhaltung des „Rechts“ zu pochen und dahinter weiter Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Nach europäischem Rechtsstandard sind solche strangulierenden Verträge sittenwidrig und daher nichtig. Banken, die das Risiko großzügiger Kredite für arme Länder eingegangen sind, müssen das Risiko auch tragen, wenn das Land nicht zahlen kann. Das Finanzsystem hat eine Eigendynamik entwickelt, die sich in einer abstrakten Ebene von Macht, Gesetzen und Verträgen abspielt, in der der reale Mensch nicht mehr vorkommt, Not und Leid nicht mehr wahrgenommen und empfunden werden. Das Geld ist dazu da, dem Wohl der Menschen zu dienen, nicht sind die Menschen dazu da, dem Geld und seinen Besitzern zu dienen und ihnen geopfert zu werden. Menschen wegen Geldschulden in noch größere Armut, fehlende medizinische Hilfeleistung und menschenunwürdiges Elend zu pressen, das Menschenleben kostet, ist mit keinem rechtlichen oder moralischen Argument zu rechtfertigen, mit keinem! Es ist Barbarei.

Das Tandem EU und IWF

Die enge Zusammenarbeit von EU und IWF, wie sie sich in der Troika manifestiert, offenbart die EU als „eine von Wirtschaftsinteressen des Finanzkapitals und der Großkonzerne beherrschte Organisation, die in den vergangenen Jahrzehnten für eine noch nie dagewesene Vermögenskonzentration am oberen Ende aller europäischen Gesellschaften, am unteren Ende dagegen für eine kontinuierliche Senkung des Lebensstandards gesorgt hat.“ Entgegen der fortwährenden Behauptung, die Grundlage für einen dauerhaften Frieden in Europa zu bilden, hat die EU genau das Gegenteil bewirkt. Mit der Förderung der sozialen Ungerechtigkeit sowohl innerhalb der einzelnen Länder als auch zwischen den Ländern Europas „hat sie den Boden für immer schärfere gesellschaftliche Konflikte gelegt und in letzter Instanz auch die Voraussetzungen für künftige Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Staaten geschaffen.“

„Da weder die Mitglieder des wichtigsten Exekutivorgans der EU, der EU-Kommission, noch das Direktorium der EZB oder die Funktionäre des IWF vom Volk gewählt, sondern von verschiedenen – der Öffentlichkeit personell kaum bekannten – Gremien ernannt werden, handelt es sich bei der Troika nicht nur um die mächtigste, sondern auch um eine von den europäischen Völkern nicht legitimierte Organisation, die sich jeglicher demokratischer Kontrolle entzieht. Mit der Einsetzung wurde die parlamentarische Demokratie in Europa zwar nicht abgeschafft, aber de facto ausgeschaltet und der Kontinent der direkten und unverhüllten Diktatur durch die wichtigsten internationalen Organe des Finanzkapitals unterstellt.“14  Doch selbst wenn die Völker Europas sie gewählt hätten, wären sie – eben gewählte – Diktatoren. Aber das ist ein eignes Thema (vgl. Macht macht untertan; Die Steigerung).  (hl)

——————————
1    Ernst Wolf: Weltmacht IWF, Marburg 2014, S. 69 f.
2    a. a. O., S. 70; Zeljko Brkic:„Ökonomische Ursachen des Zerfalls Jugoslawiens..“
https://www.uni-trier.de/fileadmin/forschung/ZES/Schriftenreihe/050.pdf
3    Ernst Wolf a. a. O., S. 71; Zeljko Brkic a. a. O. S. 65
4    a. a. O., S. 75
5    a. a. O., S. 75, 76
6    a. a. O., S. 79
7    a. a. O., S. 145 f.
8    a. a. O., S. 155 f.
9    a. a. O., S. 169
10  Wikipedia – Eurokrise – Griechenland
11  Ernst Wolf a. a. O., S. 179
12  a. a. O., S. 180
13  a. a. O., S. 185
14  a. a. O., S. 172, 173

 

 

18 Kommentare zu „Die Raubzüge des IWF in Europa“

  1. Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst.
    Du kannst nicht zwei Göttern dienen, dem Mammon und Gott.

    Diese Gebote stehen bestimmt NICHT auf den Fahnen der
    Satanisten-Hochfinanz.

    IWF, EU, FED, BIZ, USRAEL und NATO gehören einfach auf dem
    Scheiterhaufen der Geschichte verbrannt.

    Jetzt ist die Zeit wo die Lämmer von den Böcken und der
    Weizen von der Spreu getrennt wird. Endlich ist es soweit!

    Der Tag der zweiten Wiederkunft Jesus Christus steht kurz bevor.
    Glück auf, uns allen armen Sündern.

    Amen

  2. Einsiedler, Du siehst ja echt klar, eine Rarität in der Suppe der Blinden, der amorphen Masse, der
    Epsilon Kreaturen. Auch die Bibel hast Du griffbereit, bravo.

  3. Ein hervorragender Beitrag. Hinzuzufügen ist, dass die Illuminatenwerkzeuge IMF, Worldbank u.a.
    diesen wirtschaftlichen Holocuast seit Jahrzehnten erfolgreich betreiben. S. das Werk von Chossudovski „Global Brutal“ dass vor 12 Jahren erschien, aber von der amorphen Masse leider nicht wahrgenommen wurde.

  4. Neuermann. Ein herzliches Dankeschön an Dich, für meinen
    die amorphe Masse hoffentlich „aufweckenden“ Kommentar.

  5. Ernst Wolf bestreitet in seinem Buch die Richtigkeit vieler Presseberichte, Island habe damals erfolgreich der Macht des Finanzkapitals getrotzt, seine Banken entgegen dem Rat des IWF bankrottgehen lassen und die Schuldigen für die Misere zur Rechenschaft gezogen.

    Durch die Proteste der Bevölkerung sei eine für das globale Finanzkapital überaus kritische Stimmung entstanden. Um dem Protest die Spitze zu nehmen, hätten der IWF und die isländische Regierung einen Deal verabredet. “Während die Regierung den IWF öffentlich verdammte und ihre Mitglieder den Eindruck vermittelten, man wehre sich nach Kräften gegen seine Einmischung von außen, zog man im Hintergrund gemeinsam die Fäden und handelte strikt nach dem vom IWF vorgegebenen Plan.” (S. 159 -151) Die Regierung ließ die Banken nur so weit fallen, wie es aufgrund der Größe ihrer Verluste absolut unumgänglich war, tat aber alles in seiner Macht Stehende, um deren Gläubiger zu entschädigen.

    Als sich der isländische Präsident (…) weigerte, ein Gesetz zur Entschädigung ausländischer Anleger zu unterschreiben, wonach die Schulden bei einer Laufzeit von 35 Jahren zu einem Zinssatz von 3% abgezahlt werden sollten, stellte sich die Regierung nicht hinter ihn. Auch eine Abrechnung mit den Schuldigen habe im Grunde nicht stattgefunden. “Der vor Gericht gestellte Premierminister Geir Haarde wurde freigesprochen, nur einige wenige untergeordnete Verantwortliche aus der zweiten oder dritten Reihe wurden zu äußerst milden Haftstrafen verurteilt. Wer keine Bewährung erhielt, wurde später vorzeitig entlassen. Keiner der Beschuldigten musste die zum Teil erheblichen Geldsummen, die er während des Booms an sich gerissen hatte, zurückzahlen.” (S. 151)

    “Wie sehr das Märchen vom eigenen Weg Islands aus der Krise von der Wirklichkeit entfernt ist, zeigt sich, wenn man die Entwicklung nach dem Crash betrachtet. Bereits wenige Tage später sagte der IWF der Regierung einen Stand-by-Kredit in Höhe von 2,1 Mrd. Dollar zu. Bei einer Laufzeit von zwei Jahren sollte er unter dem Vorbehalt regelmäßiger Zwischenprüfungen in neun Trachen ausgezahlt werden. Schon die Freigabe der ersten Tranche wurde davon abhängig gemacht, dass Islands Regierung alle Auslandsschulden anerkannte und ihre Rückzahlung bindend zusagte. Die Freigabe aller weiteren Tranchen wurde an die Bedingung gekoppelt, dass die Regierung alles unternahm, um ausländische Investoren anzulocken, und alles unterließ, was sie abschrecken konnte. Dazu zählten u. a. zu harte Umweltauflagen und eine zu hohe Besteuerung. Eine zehnprozentige Kürzung der Haushaltealler Ministerien bedeutete die Streichung von öffentlichen Geldern für Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten und markierte einen ersten kräftigen Einschnitt in eines der bis dahin besten Sozialsysteme Europas.” (a.a.O.)

  6. Sehr geehrter Herr Ludwig,

    habe mir heute E.Wolffs Buch gekauft. Bin zur Hälfte durchgedrungen.
    Gestehen Sie mir ein erstes Urteil zu, bevor ich zu Ende gekommen bin:

    Verzeihen Sie, aber ich finde den Tonfall des Autors alarmistisch. Aus meiner Sicht schmälert das Ihre Quelle nicht unerheblich.

    Im Abschnitt über Nelson Mandela heißt es sinngemäß, er sei dem IWF auf dem Leim gegangen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß Mandela eigennützig gehandelt hatte. Der Mann hatte gelitten, der brauchte keine materiellen Güter.

    Auf S.78 etwa sagt Wolff doch tatsächlich zur Entwicklung auf dem Balkan, D’land sei mit dem Kriegseinsatz vor 15 Jahren „in den Kreis der Großmächte“ zurückgekehrt. So eine Aussage ist vermessen, und sie wertet das Buch ab. Ich glaube nicht, daß die deutsche Politik derartig etwas herbeigesehnt hat. Wenn die Deutschen was hintertrieben haben mögen, dann allenfalls als blinde Gehilfen der Amerikaner. Das aber sagt Wolff eben nicht, er unterstellt unserer Regierung den militärischen Willen, als ob wir wieder groß sein wollen. Ich denke, das trifft auf unsere Politik nicht zu.

    Wolff berichtet von Tatsachen höchster Brisanz, aber seine Schilderungen zünden irgendwie nicht. Er zählt reihenweise die Schicksale südamerikanischer und afrikanischer Staaten auf, die durch den IWF ins Elend abgeglitten seien. Die Rolle des IWF stimmte mich sehr nachdenklich, aber skeptischer stimmte mich der nicht ablassende Tonfall des Autors über das Leid – als sei Wolff ein linker Kapitalismuskritiker. Ich glaube solchen Worten erst einmal nicht viel. (Dabei erweckt das Konterfei des Autors einen seriösen Eindruck.)

    Mal schauen, was mich ab Seite 100 erwartet. Ob Wolff was zu Horst Köhler sagt, der das Amt des Präsidenten ausübte? Ich kann mir schwerlich Köhler als gerissenen Menschen vorstellen, als Amtsinhaber einer völlig verkommenen Organisation.

    mfg,
    V.R.

  7. Man muss die Fakten von den sich daran anschließenden Urteilen unterscheiden. Ich bin bei manchen Urteilen von Ernst Wolf auch skeptisch. Aber durch die werden die Fakten nicht falsch. Was ich übernommen habe, schien mir aufgrund dessen, was ich selber wusste und recherchieren konnte, stimmig.
    mfG

  8. Pingback: News 24.02. 2015 |
  9. Ich schaue mir zu politischen Themen auch gerne mal Videos an…
    Vielleicht kann auch das Interview mit Herrn Wolf zu diesem Thema aufschlussreich sein.
    RT – ab ca. 2:40 Min:

    Man merkt die Erregung beim Sprechen des Herrn Wolf – aber ich zweifle nicht an der Richtigkeit seiner Ausführungen.

  10. MEIN ZEUGNIS
    Hallo Herr / Frau
    Ich bin lisa
    Es ist mit großer Dankbarkeit, dass ich bringe euch hier mein Zeugnis, Sie, die Darlehen in Höhe von Geld, ich weiß nicht wie meine Freude auszudrücken suchen, weil mir noch auf der Suche nach Darlehen, stieß ich auf einen Mann namens Jean Baker eine geschäftsfrau. Ein Darlehen in Höhe von € 1.00,000 Maut im Voraus mit der Möglichkeit der Begegnung mit einer Rate von 2 % gewährt wurde und ich habe mit mehreren Kolleginnen und Kollegen, die Kredite an diese Madame ohne Sorgen erhalten gesprochen. Vor allem für mich erhielt ich meinen Antrag auf Gutschrift per Überweisung innerhalb von 72 Stunden ohne Protokoll und ich bin ganz zufrieden. Der Grund, der treibt mich auf diese Anzeige zu veröffentlichen ist ein Ende zu setzen, all jene, die betrügen ohne weniger Befriedigung, die dieser Mann weiterhin Wunder Menschen arbeiten, die wirklich in Not sind. Also beschloss ich, diese Gelegenheit mit Ihnen zu teilen, die nicht die Gunst der Banken haben oder wer hatte zum Umgang mit unseriösen Kreditgeber, die missbrauchen, die der Persönlichkeit des anderen; Sie haben ein Projekt oder einen Bedarf zur Finanzierung, können Sie ihm schreiben und erklären Sie Ihre Situation; Es wird Ihnen helfen, wenn er von Ihrer Ehrlichkeit überzeugt ist
    seine mail:jeanboulanger65@gmail.com

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