Der Tod als Voraussetzung der Freiheit

Der Titel ist paradox, unsinnig, wird der Leser denken. Doch auch der Tod hat eine Fassade, hinter der sich noch ganz andere Dimensionen auftun. Er tritt nicht erst am Ende des Lebens ein. Schon mit der Geburt setzen Abbau-, also Sterbeprozesse ein, die immer mehr die Aufbauprozesse überwiegen und schließlich den vollständigen Tod herbeiführen. Und Todesprozesse lähmen auch unser Denken zu schattenhaft toten Vorstellungen und Begriffen herab, die nur das mineralisch Tote in der Natur erfassen können. Daraus gehen die materialistische Naturwissenschaft, eine tote Maschinen- und Technikwelt und die Gefahr hervor, dass mit dem Leibe auch die Seele zugrunde geht. – Wozu das alles? Doch wenn das Leben einen tiefen Sinn in sich trägt, dann auch der Tod.

Es sei aus gegebenem Anlass nachfolgend versucht, aus der gegenwärtigen Verfasstheit des Menschen rückwärtsblickend einer möglichen Evolution des menschlichen Lebens und Bewusstseins nachzuspüren, um vorwärtsschauend die Aussicht in eine sinnvolle Zukunft zu gewinnen. Der Leser sei eingeladen, sich auf vielleicht auch ganz ungewohnte Gedanken und Perspektiven einzulassen.

Wandlungen des Bewusstseins

Den ganzen Tag bemühen wir uns, mit unserem Denken die Dinge und Vorgänge der Welt zu erfassen und ins Bewusstsein zu heben. Wie das Denken aber selbst beschaffen ist, was es für eine Qualität hat, ist uns dabei ganz unbekannt. Denn wir haben es stets auf die Objekte der Welt gerichtet, selbst bleibt es dagegen völlig unbeobachtet im Hintergrund. Wir müssen uns gleichsam innerlich umdrehen und das Denken selbst zum Objekt der Beobachtung machen, wenn wir es in seiner Qualität näher kennen lernen wollen. Das aber bringt ungeheure Aufschlüsse nicht nur über das Denken, sondern auch über die Eigenart der gesamten Zivilisation, der gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse, die ja aus dem Denken der Menschen hervorgebracht und gestaltet werden.

Richten wir den inneren Blick auf die Inhalte unseres Denkens, bemerken wir, dass unser gegenwärtiges intellektuelles Denken Begriffe und Vorstellungen produziert, die nur schattenhaft sind, die kein Leben in sich tragen. Wie ein Spiegelbild keine eigene Realität hat, so weisen auch die Begriffe und Vorstellungen des Denkens nur auf Realitäten hin, selber aber sind sie nur schattenhaft tot. Sie können daher grundsätzlich auch nur das mineralisch Tote in der Natur erfassen. An das Leben in den Pflanzen und höheren Lebewesen kommt dieses Verstandesdenken nicht heran, kann es gar nicht als eine eigene Qualität anerkennen, sondern stellt es sich vor als Ergebnis von anorganischen, also mineralisch toten physikalischen oder chemischen Prozessen.

Schaut man in Lexika unter `Leben` nach, findet man Beschreibungen, wodurch sich pflanzliche, tierische und menschliche Organismen von leblosen Körpern unterscheiden, aber man kann das Leben selbst nicht erklären, da es nicht durch bestimmte stoffliche Gebilde zu definieren, andererseits ein Nachweis nichtmaterieller Ursachen des Lebens nicht zu führen sei. Das intellektuelle Denken kann eben nur tote Stoffe erkennen, weil es selbst nur innerlich schattenhafte, tote Gedanken hervorbringt. Eine lebendige, wesenhafte übersinnlich-geistige Welt ist ihm verschlossen, weshalb es in seinem Absolutheitsanspruch behauptet, es gebe außer der Materie keine geistige, göttliche Welt.

Aus diesem so gearteten Denken haben sich die heute alles beherrschenden Naturwissenschaften entwickelt, die alle Erscheinungen aus materiellen Teilen und ihrem Zusammenspiel zu erklären beanspruchen und die auch in die lebenden Organismen Erklärungsmuster aus anorganischen, toten Stoffzusammenhängen hineintragen. Und aus dem experimentellen Zusammenführen anorganischer Gesetze entstand eine Technik immer präziserer und raffinierterer Maschinen, die den Menschen das Arbeiten und Leben in der physischen Stoffeswelt immer mehr erleichtern. So entwickelte sich im Laufe weniger Jahrhunderte neben der lebendigen Natur eine künstliche Welt toter Technik, die den Menschen immer mehr in ihren faszinierenden maschinellen Bann zieht.

Es lässt sich historisch beobachten, wie etwa ab dem 16. Jahrhundert mit den großen Entdeckungen unbekannter Erdteile, den technischen Erfindungen und der Entwicklung materieller Naturwissenschaften eine umfassende Hinwendung der Menschen zur ausschließlich irdisch-physischen Welt einsetzte. Diese Entwicklung erreichte vom Ende des 18. Jahrhunderts bis heute durch die Entdeckung anorganischer Energien wie die Dampf-, Verbrennungs- und elektrische Kraft und die Erfindung entsprechender Maschinen eine ungeheure Beschleunigung, in der wir uns noch befinden.

Zugrunde liegt ihr das beschriebene schattenhaft-tote, auf die rein materiellen Erscheinungen reduzierte Verstandesdenken, denn aus diesem wächst die moderne Zivilisation hervor. Warum sahen die Kulturen vor dem 15. Jahrhundert, im 4. Jahrhundert, in der vorchristlichen Zeit ganz anders aus? Darauf lautet die logisch zwingende Antwort, dass damals das denkende Bewusstsein der Menschen jeweils auch anders geartet war, ja anders geartet sein musste.

Das bedeutet, dass die Bewusstseinsverfassung der Menschheit einer ständigen Wandlung unterliegt, auf die der subjektive Wille des Menschen selbst keinen Einfluss hat, in die er hineingeboren wird, sie als Bedingung vorfindet und unbewusst, naiv darin lebt.

Die frühe Menschheit

Je weiter man in der Geschichte der Menschheit zurückgeht, desto vorherrschender werden in den kulturellen Verhältnissen die Beziehungen der Menschen zu höheren göttlichen Wesen. Sie sind von einer das ganze Leben durchdringenden allgemeinen Selbstverständlichkeit. Historische Zeugnisse zeigen eindrücklich die Allgegenwart göttlicher Wesen im Leben der Menschen, die schöpferisch sowohl in den Naturerscheinungen wie auch als moralische Instanzen in der Seele erlebt wurden.
Dies setzt voraus, dass die Bilder des damaligen Denkens nicht schattenhaft tot, sondern von  Eigenleben, Offenbarungen und geistiger Wesenhaftigkeit erfüllte Realitäten waren, die von innen kamen und mit den Wahrnehmungen der äußeren physischen Welt zusammenflossen.

Wenn heutige Intellektuelle dies als Produkte einer reichen Fantasie der frühen Menschen bezeichnen, so ist daran nur das eine richtig, dass diese Behauptung Produkt der Fantasie dieser Intellektuellen ist. Mit der historischen Realität hat das nichts zu tun.

Diese Bewusstseinsverfassung bedeutete aber, dass die Menschen in ihrem Handeln von diesem überwältigenden Erleben einer höheren geistigen Welt bestimmt wurden und ihr gegenüber völlig abhängig und unfrei waren. Sie konnten wie Kinder noch kein starkes Ich haben, das selber erkennen und sich selbst in seinem Handeln hätte bestimmen können. Dies erklärt auch die hierarchisch theokratische Struktur des gesamten gesellschaftlichen Lebens, das von göttlichen oder von Göttern beauftragten Herrschern geführt wurde.

Das Erleben einer göttlich-geistigen Welt, in die man eingegliedert war, beinhaltete auch die Erinnerung, dass man vor der Geburt in dieser Welt schon gelebt hat und die Gewissheit, dass man nach dem Tode dahin wieder zurückkehren wird. Das Bewusstsein der geistigen Welt wurde durch Geburt und Tod überhaupt nicht unterbrochen, so dass diese in der Kontinuität des Bewusstseins gar nicht als etwas Einschneidendes, sondern nur als  Verwandlungen erlebt wurden. Das heißt, den Tod als bedrückendes Ende des irdischen Lebens kannte man gar nicht.

Entwicklung des Todes-Erlebens

Dieser Bewusstseinszustand änderte sich im Laufe der Jahrtausende allmählich. Die Realitäts-durchtränkten Inhalte einer wesenhaften geistig-göttlichen Welt verblassten immer mehr und damit die Verbindung der Seele mit der göttlichen Welt, was zugleich bedeutete, dass die physisch- materiellen Erscheinungen, auch das Erleben des eigenen materiellen Leibes, entsprechend deutlicher und bestimmender ins Bewusstsein traten und damit auch das Rätsel des Todes. In der griechischen Kultur wurden die Bilder schließlich vom erwachenden Gedankenleben, von bildlosen Begriffen und Ideen abgelöst, was eine innere Gegenüberstellung des Menschen zur Welt bewirkte und ein wachsendes Erleben innerer Selbständigkeit. Nur erlebte der Grieche die Gedanken noch als etwas Lebendiges, das ihm aus der Welt entgegenkam.

„Der Grieche empfindet den Gedanken, wie man gegenwärtig eine Wahrnehmung empfindet, wie  man ´rot` oder  ´gelb` empfindet. Wie man jetzt eine Farben- oder eine Tonwahrnehmung einem  ´Dinge` zuschreibt, so schaut der Grieche den Gedanken in und an der Welt der Dinge. Deshalb bleibt der Gedanke in dieser Zeit noch das Band, das die Seele mit der Welt verbindet. Die Loslösung der Seele von der Welt beginnt erst; sie ist noch nicht vollzogen. Die Seele erlebt zwar den Gedanken in sich; sie muss aber der Ansicht sein, dass sie ihn aus der Welt empfangen hat, daher kann sie von dem Gedankenerleben die Enthüllung der Welträtsel erwarten.“ 1

Diese Tatsache lässt sich noch daran erkennen, dass das altgriechische Substantiv idea ursprünglich das Erscheinungsbild von etwas bezeichnet, was gesehen wird. „Es ist als Verbalabstraktum von ´idein` –  erblicken … abgeleitet.“ (Wikipedia)

Von der Zeit des entstehenden Christentums an wurde der Gedanke immer weniger wie eine Wahrnehmung aus der äußeren Welt erlebt, sondern als Erzeugnis der eigenen Seele, wobei aber daneben geistige Realitäten aus der göttlichen Welt immer noch abnehmend durch das Mittelalter hindurch im Menschen wirkten. Doch das immer mehr im physischen Gehirn verlaufende Denken wurde zunehmend von den Abbau-, Todesprozessen des Leibes erfasst. So ist das ganze Mittelalter geprägt von der Auseinandersetzung mit der großen Rätselfrage des Todes.

In der Neuzeit trat der Gedanke vollends als eigenes Erzeugnis auf, aber schattenhaft und tot, ohne eigene Realität. Und mit diesem toten Denken, das notwendig nur Totes erfassen kann, erfolgte eine aktive Hinwendung und Erforschung der nun allein wahrgenommen materiellen Welt, die in der heutigen dominierenden materialistischen Naturwissenschaft und Technik, sowie in einem alles Leben beherrschenden materiellen Wirtschaftsleben seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.

Die Vorteile des toten Denkens

Der Blick in die materialistischen Lebensverhältnisse und die tote technische Maschinenwelt, welche mit diesem schattenhaft toten Denken geschaffen werden, ist besorgniserregend. Wohin soll das führen? – Doch es ist wichtig, die Vorteile ins Auge zu fassen, die durch dieses tote Denken in der Seele des Menschen entstanden sind und entstehen.
Als früher die Gedanken der Menschen voller Leben und wesenhafter Realität waren, die ohne ihr Zutun aus der göttlichen Welt in sie einflossen, wurden die Menschen in ihrem Leben und Handeln davon bestimmt. Sie hatten sozusagen gar keine andere Wahl, sie waren vollkommen von den Göttern abhängig.

Indem dies aber allmählich aufhörte, die Menschen schließlich die Ideen auch nicht mehr als Wahrnehmungen aus der Welt auf sich zukommen sahen, sondern sie selbst hervorbringen mussten, wenn sie die Rätsel der Welt lösen und Sinn in ihr Handeln bringen wollten, wurden sie von den Göttern immer mehr unabhängig. Und dadurch, dass die Gedanken, die sie hervorbrachten, keinen substanziell göttlich-realen Inhalt mehr hatten, wurden die Menschen innerlich durch nichts mehr bestimmt, denn die erstorbenen abstrakten Gedankenschatten drängen und zwingen nicht zu Handlungen. Sie müssen von den Menschen selbst gewollt werden.

Der Mensch wurde völlig in der Isolation seines Bewusstseins allein gelassen, auf sich selbst zurückgeworfen. Dies hat aber zu einer Erstarkung des Ich und der Möglichkeit geführt, die Freiheit zu entwickeln, d.h. sein Handeln aus eigener Erkenntnis selbst frei zu bestimmen, wie es anders nicht möglich gewesen wäre. Ohne den Tod kein selbständiges Ich und keine Freiheit. Nur durch das immer tiefere Hineingehen des seelisch-geistigen Menschenwesens in den dichten physisch-materiellen Leib und das damit verbundene Todeserlebnis insgesamt und speziell im Denken konnte sich das Ich des Menschen selbst erfassen, entwickeln und zur Freiheit kommen. Und so sehen wir ja auch, wie seit dem 15. Jahrhundert sich das Streben nach Freiheit auf allen Lebensgebieten in wachsendem Maße geltend macht: in der Religion (Reformation), in der sich von der Kirche lösenden Wissenschaft, im wirtschaftlichen Unternehmertun und in der Überwindung monarchischer und autoritärer Herrschaftsformen. In diesem Prozess sind wir noch mitten drin.

Die große Gefahr

Doch mit dem Abstieg in das isolierte Bewusstsein eines rein physisch-materiellen Daseins ist die große Gefahr verbunden, dass der Mensch darin stecken bleibt und es nicht als Durchgangsstadium seiner Gesamtentwicklung begreift. Die Absterbeprozesse im Menschen, die im Grunde bereits mit der Geburt beginnen, im Laufe des Lebens immer mehr über die aufbauenden Kräfte die Oberhand gewinnen und endlich den vollständigen Tod herbeiführen, sind sehr stark. Und das durch sie erzeugte ausschließliche Erfassen der Todeskräfte in der anorganischen Natur übt eine große Suggestion aus, dass alles nur aus mineralisch toter Materie bestehe und Leben, Seele und Geist aus den materiellen Prozessen sozusagen wie Rauch aufsteigen und mit dem Tode in Nichts verschwinden würden.

Wer seine Seele mit solchen materialistischen Vorstellungen ernsthaft verbindet, lebt in der Gefahr, dass er den Weg zur geistigen Welt, aus der er stammt, nicht mehr zurückfindet und schließlich mit dem physischen Tod tatsächlich auch vom seelischen Tod erfasst wird.

Im Grunde hat der Mensch nicht die Möglichkeit, sich aus diesen übermenschlichen Kräften des Todes selber zu befreien. Das müssen seine göttlichen Schöpferwesen natürlich auch vorausschauend gewusst haben.

Die Tat des Christus

Wenn wir versuchen, uns in ihre sorgenden Gedanken für die heilsame Entwicklung der Menschheit hineinzuversetzen, dann werden sie sich etwa gesagt haben:

Der Mensch soll ein unabhängiges, in sich selbst gegründetes, seelisch-geistiges Wesen werden, das sein Handeln in Freiheit aus eigener Erkenntnis selbst bestimmen können soll. Nach einer langen von uns geleiteten Aufbauphase muss er von uns und unseren Einflüssen daher allmählich vollkommen abgesondert, getrennt werden, um selbständig zu werden. Dies kann nur durch einen immer dichter werdenden physischen Leib geschehen, in dem er in seinem Bewusstsein von uns geschieden wird, und der durch den Tod wieder aufgelöst werden muss.

Wir müssen den Satan, den Herrn der Todeskräfte in die Evolution hereinrufen. Die Todesprozesse müssen dadurch das Denken des Menschen ergreifen und sein Bewusstsein vollständig auf die physische Welt reduzieren. Dazu darf das Denken keine Einflüsse und Intentionen mehr von uns enthalten, sondern nur freilassende schattenhaft-tote Gedanken, die er durch eigene Anstrengung selbst hervorbringen, ganz durchschauen und in klarer Erkenntnis handhaben lernt, um fähig zu werden, dann auch allmählich die Geheimnisse der geistigen Welt selbständig erkennen zu können. Wir müssen den Menschen tief in den Tod verstricken, denn nur so kann er ein freies Wesen werden.

Aber die Menschen können, wenn sie die Freiheitsmöglichkeit errungen haben, aus den satanischen Todeskräften nicht selber wieder herauskommen. Wir Götter haben sie in die Entwicklungs-Bedingungen des Todes versetzt, und wir müssen ihnen auch wieder heraushelfen, damit die Menschheit nicht in einer Todes-Sackgasse verlorengeht, sondern sich weiterentwickeln kann. Dazu muss sich einer von uns zur rechten Zeit im physischen Leib eines Menschen verkörpern, den Tod durchmachen und für den Menschen überwinden. Die geistigen Kräfte dieses göttlichen Erlösers, geben ihm, wenn er sie in sich aufnimmt und sich mit ihnen verbindet, die Möglichkeit, auch in sich den Tod durch die Inkarnationen allmählich zu überwinden.

Diese Verbindung muss aber der Mensch aus freien Stücken selbst vollziehen, sonst würde seine Freiheit wieder aufgehoben und er erneut von den Göttern abhängig gemacht. Er muss die Kräfte des Erlösers selbst in sein Ich aufnehmen. Dies bringt der Apostel Paulus in die Worte „Nicht Ich (allein), der Christus in mir“. Er ist der Bringer der Kräfte der freien Individualität, die sich aus allen inneren Bindungen und Abhängigkeiten, auch denen der Blutsverwandtschaft, lösen und ganz auf sich stellen soll, so dass er sagt: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Nur wenn der Mensch selbst zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und aus ihr heraus handeln kann, wird er frei.

Es kommt alles auf die Entwicklung der Erkenntnis an. Der Mensch muss durch die Aufnahme der Christus-Kräfte die Todeskräfte in seinem heutigen Denken überwinden und dieses wieder spiritualisieren, d.h. erreichen, dass wieder Leben in seine Gedanken einfließt und er die übersinnlichen Lebenskräfte, die in den Pflanzen-, Tier- und Menschen-Organismen aufbauend wirken, wahrnehmen kann. Da er ein in sich gegründetes freies Ich weitgehend errungen hat und die Erkenntnis selbst vollzieht, kann er dadurch jetzt nicht mehr in Abhängigkeit von den Göttern kommen.

Aussichten

Die Menschheit befindet sich in einem langen, allmählichen Entwicklungsprozess, der natürlich sinnvoll nur von hohen göttlichen Wesen gelenkt werden kann, die immer wieder neue Bedingungen im Menschen setzen, von denen er herausgefordert wird, bestimmte Fähigkeiten auszubilden. Der Tod ist nur aus solchen großen Zusammenhängen heraus zu verstehen und auch die aus ungeheurer Liebe zur Menschheit vollbrachte Opfertat des Christus, den damals schmählichsten und grausamsten Tod eines Menschen zu erleiden.

Die bedrückenden Perspektiven eines immer weiter zunehmenden geistlosen Materialismus und einer neben der Natur sich ausbreitenden technisch-maschinellen Welt des Todes verlieren ihre Schrecken in der Gewissheit, durch die Verbindung mit den Auferstehungskräften des Christus, die stärker sind als alle satanischen Gegenkräfte, die eigene und die Entwicklung der Menschheit in eine positive Richtung lenken zu können. Es gibt auch keine andere Möglichkeit. Wir müssen dahin erwachen, dass wir selbst vor die Entscheidung gestellt sind.

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1   Rudolf Steiner: Die Rätsel der Philosophie, S. 27 ff.
2   Vgl. R. Steiner im Vortrag vom 2.4.1922 in Gesamtausgabe Nr. 211