Corona-Trauma – Die seelischen Auswirkungen der inszenierten Pandemie bei den Kindern

Im ersten Teil des Interviews mit dem Notfall- und Trauma-Pädagogen Bernd Ruf ging es um dessen Weg zur Entwicklung dieser speziellen pädagogischen Richtung, die Beschreibung des Traumas allgemein und um das Ausmaß traumatisierter Kinder in der Welt. Im nachfolgenden zweiten Teil schildert er, wie die totalitären deutschen Corona-Maßnahmen in einem der Öffentlichkeit noch kaum bekannten Ausmaß bei Kindern und auch Erwachsenen Traumata hervorgerufen haben. Laut Abschlussbericht der Bundesregierung sind 73 Prozent der Minderjährigen noch immer durch die Corona-Krise psychisch belastet. Nach Experten-Meinungen seien die traumatischen Folgen in der Zukunft noch gar nicht absehbar.  (hl)

               Familiencouch: traumatisierte Kinder

Das Interview (Teil 2)

Frage: Die von Angst und Panik erfüllte Corona-„Pandemie“ hat sicher auch zu vielen  traumatisierten Kindern geführt. Wodurch sind nach Ihrer Beobachtung diese Traumata hervorgerufen worden?

Bernd Ruf: Die Coronavirus-Pandemie und die ergriffenen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung haben innerhalb von wenigen Wochen das Alltagsleben von Individuen, Familien, Einrichtungen und ganzer Sozialsysteme in zuvor unvorstellbarer Weise verändert. Viele Menschen sind verängstigt, verunsichert und traumatisiert. Sie fürchten um ihre Gesundheit, ihre wirtschaftliche Existenz und um ihre Freiheit. Diese beständige Existenzangst macht krank! Zu den vulnerabelsten (anfälligsten) Bevölkerungsgruppen gehören vor allem Kinder und Jugendliche.

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise stellen eine gesamtgesellschaftliche Kollektiv-Traumatisierung dar. Meines Erachtens bilden dabei die medial geschürten Ängste, die erzwungene soziale Isolation und Vereinsamung sowie die erlittene Ohnmacht und der erlebte Kontrollverlust die hauptsächlichen Triebfedern des Corona-Traumas.

  1. Das Hauptproblem der Corona-Krise war nicht das Virus, sondern die Angst. Man kann von einer „Pandemie der Angst“ sprechen.

Zunächst ist Angst mit all ihren unangenehm-leidvollen Begleiterscheinungen aber nicht nur negativ zu beurteilen. Der Mensch wäre biologisch ohne die Angst nicht überlebensfähig. Sie macht auf drohende Gefahren aufmerksam und aktiviert geeignete Copingstrategien zur Abwendung der Bedrohung.

Angst führt im Gehirn zur Mobilisierung sogenannter archaischer Notfallreaktionen. Vermeldet die Amygdala, ein im limbischen System des menschlichen Gehirns vorhandenes Frühwarnsystem, durch die Zusammenfassung aller Sinneseindrücke eine Gefahren- und Bedrohungslage, löst dies eine blitzartige Kettenreaktion biochemischer Stoffe aus.
Stresshormone (Adrenalin, Noradrenalin) werden explosionsartig freigesetzt und der gesamte Organismus auf ein hirnstammbasiertes evolutionäres Notfallprogramm vorbereitet: Angriffsverhalten (Kampf) oder Verteidigungsverhalten (Flucht). Wird dennoch kein Ausweg aus der Gefahrensituation gefunden, führt dies zu einer ohnmächtigen, traumatischen Erstarrung (Freeze), die in der Verhaltensforschung auch als Todstellreflex bekannt ist.

Während einer Bedrohungslage wird der Cortex, jene Gehirnregion also, die die menschlichen Kognitionen, Analysefähigkeiten und Problemlösungsstrategien repräsentiert, förmlich abgeschaltet. Überlegtes Denken und planvolles Handeln sind dann ausgeschlossen.
Angst erzeugt aber auch Stress, und Stress schädigt das menschliche Immunsystem: Permanenter Dauerstress, ununterbrochene Aufgeregtheit, Angst und Panik schädigen Körper und Seele eines Menschen. Angst macht uns hilflos! Angst lähmt! Angst macht krank!

  1. Viele Menschen erlebten die Corona-Pandemie als traumatischen Kontrollverlust über die Gestaltung ihres eigenen Lebens.

Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Insites Consulting, die der französische Versicherer Axa in Auftrag gegeben hat, beklagte etwa ein Viertel der Befragten, durch die Krise gefühlt die Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben. Kontrollverlust und Ohnmachtserleben bilden neben der Todesangst den Kern jeder Traumatisierung. Infolge nahmen und nehmen die psychischen Probleme in Deutschland in der Corona-Zeit sprunghaft zu.

  1. Soziale Isolation, Ausgangssperren und Lockdowns stellen erhebliche psychische Belastungen dar.

Das Erleben von Einsamkeit erhöht das Stressniveau und schwächt gerade das Immunsystem, das uns vor Krankheiten schützen soll. Der Mensch als soziales Wesen benötigt Nähe und soziale Beziehung um sein Immunsystem zu entwickeln. Deshalb ist durch die Schutzmaßnahmen einer Pandemiebekämpfung mit negativen Auswirkungen auf die Volksgesundheit zu rechnen, wobei die Auswirkungen umso größer sind, je länger die Maßnahmen und Beeinträchtigungen anhalten. Kinder waren dem Virus gegenüber relativ unempfindlich, dafür aber umso anfälliger hinsichtlich der Einschränkung von Sozialkontakten, Bewegung und Bildung. Oder, wie der Neurologe Manfred Spitzer formulierte: Corona bringe den Kindern viel Leid. Nicht so sehr, wegen einer viralen Infektion, sondern vielmehr weil die Maßnahmen sie krank machen würden.

Die gesamtgesellschaftlichen psychosozialen Auswirkungen des Corona-Traumas sind bereits jetzt unübersehbar und dramatisch. Dabei handelt es sich nicht um die traumatischen Folgen einer Virus-Pandemie, also einer Naturkatastrophe (Typ-I-Trauma), sondern um die traumatischen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, also um von Menschen verursachten traumatischen Folgen (Typ II Traumata). Wissenschaftliche Studien über die Folgen derartiger „Man Made Disater“ zeigen, dass Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen im ersten Jahr nach dem katastrophalen Ereignis gehäuft auftreten. Längerfristige Folgen stellen Dysthymie (Verstimmungen), Burnout-Syndrom, Alkoholismus und andere Suchtprobleme sowie Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen dar. Mit derartigen Symptombildungen haben wir es gesamtgesellschaftlich zunehmend zu tun.

Die ergriffenen politischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise beruhen auf einer modernen medizinischen Wissenschaft, der ein völlig vereinseitigtes, mechanisch-reduktionistisches, materialistisches Menschenbild zu Grunde liegt. Im Dualismus wird erkenntnistheoretisch der Körper des Menschen von immateriellen, psychosozialen, kulturellen und spirituellen Anteilen des Menschseins abgekoppelt. Rein materiell-stoffliche Aspekte stehen im Zentrum. Krankheits-Erscheinungen werden folglich in der Schulmedizin auch meist nicht in ihrem psychosozialen Kontext verstanden und reflektiert. Folge dieses mechanisch-reduktionistischen Menschenverständnisses ist dann eine Apparate-Medizin, die einer Maschinen-Ideologie entspringt, welche seit langem ein transhumanistisches Menschen- und Weltbild vorbereitet.

Dieses materialistische, duale, mechanisch-reduktionistische Menschen- und Weltverständnis kommt besonders in der Virologie und Epidemiologie, wie sie z.B. durch das Robert Koch Institut in Deutschland repräsentiert wird, zum Tragen. Die Experten einer völlig vereinseitigten Wissenschaftsrichtung hatten in der Corona-Krise unter Ausblendung aller anderen politisch-gesellschaftlichen, ökonomischen und psychosozial-psychologischen Betrachtungsfaktoren einschließlich alternativer medizinischer Konzepte de facto das politische Handeln übernommen und die Maßnahmen vorgegeben. Laborexperten, die viel mit Reagenzgläsern in Laboren, aber nichts mit lebendigen Menschen zu tun haben, mutierten zu Staatsmännern.

Rudolf Steiner hatte in vielen seiner Vorträge vor dieser Einengung der Beurteilung gerade bei Infektionskrankheiten gewarnt. Durch eine derartige Engführung des Urteils und der sich darauf begründeten Schutzmaßnahmen können sich negative Entwicklungen ergeben, die gesamtgesellschaftlich den möglichen Schaden durch das Virus bei weitem übersteigen. Der Psycho-Neurobiologe Dr. Christian Schubert spricht von einer „Pandemie eines falschen Menschenbildes“, die auf einem erkenntnistheoretischen Irrtum beruhe.

Boris Cyrulnik ist Neurologe, Psychiater, Ethnologe und Berater des französischen Präsidenten Emmanuelle Macron. Zu seinen Forschungsgebieten zählen Resilienz, Krisenbewältigung und frühkindliche Entwicklung. Cyrulnik beklagt in einem Interview in der Zeitschrift „Die Welt“ vom Juni 2020, dass man auf Anraten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die ethische Entscheidung getroffen habe, den Körper des Menschen gegenüber seiner Psyche zu priorisieren. Die ergriffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung hätten zwar einen physischen Schutz dargestellt, seien aber zugleich von der Psyche als Aggression erfahren worden. So habe man Hundertausende gerettet, aber die Jugend für die nächsten Jahrzehnte ruiniert. Der französische Neuropsychiater befürchtet in Folge nun eine Zeit völliger privater und gesamtgesellschaftlicher Orientierungslosigkeit.

Bereits im September 2020 stellte Michael Klundt, Professor im Fachbereich Angewandte Humanmedizin an der Hochschule Magdeburg-Stendal, seine Untersuchungsergebnisse zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen während der Pandemie in Deutschland in einer öffentlichen Sitzung der Kinderkommission des Deutschen Bundestages vor. Dabei bemängelt er, dass Bund und Länder ihrer Schutz- und Fürsorgefunktion für 13 Millionen Kinder in Deutschland nicht nachgekommen seien und man die Kinderrechte weitgehend ignoriert habe.
Ähnlich wie Michael Klundt haben inzwischen auch viele Ärzte, Wissenschaftler und Pädagogen unmissverständlich klargestellt, dass sie die Schutzmaßnahmen im Rahmen der Pandemie-Bekämpfung juristisch als schwere Form der Kindeswohlgefährdung betrachten. Das Rheinische Ärzteblatt schreibt im Dezember 2022 von den vergessenen Kindern der Corona-Pandemie.

Bei der Corona-Krise handelt es sich um eine Kollektiv-Traumatisierung von bisher unvorstellbarem Ausmaß. Es ist zu befürchten, dass wir aber erst am Beginn eines traumatischen Prozesses stehen, der uns gesamtgesellschaftlich die nächsten Jahrzehnte vor ungeahnte Herausforderungen stellen wird. Denn, die in der Isolation entstandenen oder wiederaufgebrochenen Traumata werden mit Ende der Coronakrise keinesfalls verschwinden.
Auch der Deutschland-Chef der Axa-Versicherungen, Alexander Vollert, erwartet, dass die Folgen der Corona-Krise noch viele Jahre die psychische Gesundheit von Millionen Deutschen belasten werde, und die Weltgesundheitsorganisation WHO hält es für sehr wahrscheinlich, dass Vereinsamung, Verunsicherung und wirtschaftliche Turbulenzen noch zu einem weiteren Anstieg der psychischen Erkrankungen führen werden. Die Corona-Krise und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung traumatisieren – weltweit!

Auch wenn inzwischen für viele Menschen die Pandemie abgehackt erscheint, steht nach Auffassung des Chefarztes der Esslinger Kinder- und Jugendpsychiatrie, Gunter Joas, der Höhepunkt der psychischen Folgen erst noch bevor. Die Reaktionen der Kinder auf die drastischen Veränderungen ihrer Lebenswelt seien sehr sensibel. Die seelischen Verletzungen nach einem Ausnahmezustand, wie z.B. das hohe Ausmaß der pandemiebezogenen Belastungen, würden erst verzögert durchschlagen. Aus Sicht der Trauma-Expertin Michaela Huber werden die psychosozial-mentalen Kollateralschäden bei Kindern und Erwachsenen beträchtlich, langwierig und nachhaltig sein, hohe Folgekosten verursachen und die Gesellschaft noch lange belasten.


Welche Erscheinungsformen haben diese Traumata und welches Ausmaß?

Bernd Ruf: Der Umgang mit der Corona-Krise verursachte massenhaft psychische Probleme und gefährdete dramatisch die psychosozial-mentale Gesundheit vieler Menschen. Im März 2023 versandte die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) ein Alarm-Schreiben die die Schulleitungen des Landes, in dem sie auf die enormen gesundheitlichen Schwierigkeiten der Kinder und Jugendlichen hinwies.

Erste Studien über die Quarantänezeit in China und anderswo zeigten bereits eine massive Zunahme von Stress, Erschöpfungszuständen, Depressionen, Ängsten und Schlafstörungen sowie Alkohol- und sonstiger Suchtprobleme. Dies bestätigt auch eine Befragungsstudie des Leibniz-Instituts für Resilienz-Forschung in Mainz, nach der 37% der Befragten Anzeichen psychischer Nöte zeigten. Neben dem psychosozial-mentalen Problem treten auch verstärkt psychosomatisch-körperliche Symptome, wie Atemnot, Herzrasen und Magen-Darmbeschwerden auf.

Besonders unter den „social-distancing“- Schutzmaßnahmen haben die Kinder offenbar gelitten. Kinder und Jugendliche wiesen während der Schulschließungen 75 Prozent häufiger Depressions-Symptome auf als vor der Coronakrise.
Eltern, Lehr- und Betreuungskräfte, Kinderärzte und Psychologen vermelden teilweise massive Verhaltensauffälligkeiten: erhöhte Konzentrations-Probleme bei fast 70% der Befragten, größere Zappeligkeit bei etwa 45%. und eine besorgniserregende Zunahme von Angstzuständen und Zwängen. (Hervorhebungen hl)

Spanische Eltern berichten laut einer Studie, dass ihre Kinder heute nervöser (44 Prozent), streitlustiger (40 Prozent), unselbständiger (36 Prozent) – und sorgenvoller (27 Prozent) seien. Bei etwa einem Viertel der Kinder kam es zu häufigerem Weinen sowie zu Schlaf- und Essstörungen. Im Kontrast dazu wirkt die Aussage von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, die Kinder hätten in der Pandemie die größten Opfer erbracht, wie eine zynische Untertreibung.

Es sind erschreckende Ergebnisse: Laut Abschlussbericht der Bundesregierung zur Situation von Kindern und Jugendlichen nach der Pandemie vom Februar 2023 sind 73 Prozent der Minderjährigen noch immer durch die Corona-Krise psychisch belastet.

Einsamkeit, schulischer Druck, finanzielle Sorgen, gestresste Eltern, Leben auf engem Raum: die Pandemie hat Probleme verschärft, die in vielen Familien bereits vorher vorhanden waren. Dies hinterlässt bei vielen Kindern und Jugendlichen nachhaltige psychische Spuren.

Mehr als 70 Prozent der in der sogenannten „COPSY“-Studie des Universitätsklinikums Hamburg –Eppendorf befragten Kinder und Jugendlichen fühlten sich durch die Pandemie psychisch belastet. Während früher zwei von zehn Kindern Entwicklungs-Auffälligkeiten zeigten, hat sich dieses Phänomen heute auf sechs von zehn Kindern gesteigert. Die Kinder seien gereizter, litten unter Schlafproblemen, und klagten häufiger über Kopf- und Bauchschmerzen. Das Risiko für psychische Auffälligkeiten habe sich verdoppelt. Laut einer Studie verdoppelte sich während der Corona-Krise die Zahl der jugendlichen Raucher binnen eines Jahres.

Laut dieser Studie berichtet auch jedes vierte Kind davon, dass es seit der Corona-Krise im Elternhaus häufiger zu familiären Streitigkeiten mit zunehmenden Eskalationen kommen würde. Außerdem schwinde das Gesundheitsbewusstsein: die Kinder würden mehr Süßigkeiten konsumieren, weniger Sport treiben und mehr Zeit am Handy, Computer und Fernsehen verbringen.
Auch die Sprachstörungen haben nach einer Studie der Kaufmännischen Krankenkassen (KKH) um fast 60 Prozent zugenommen. Zu den Sprach- und Sprechstörungen bei Kindern zählen ein begrenztes Vokabular, Probleme beim Artikulieren von Lauten oder bei der Satzbildung sowie Schwächen in der Grammatik. Ein Zusammenhang mit der Verordnung des Maskentragens ihrer Bezugspersonen zur Eindämmung der Corona-Pandemie liegt nahe. Durch die angeordneten Hygienemaßnahmen wie Schutzmasken und Kontaktbeschränkungen wurde der komplexe Spracherwerb über das Ablesen von Lippenbewegungen und Mimik sowie über das kommunikative Erleben mit Lautbildung stark eingeschränkt oder verunmöglicht. Die Metastudie „Cochrane Review“ aus dem Jahre 2023 hat darüber hinaus bewiesen, dass das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit keinerlei Einfluss auf die Verbreitung von Covid-19 hatte.

Traumatischer Stress schwächt das körperliche Immunsystem. Die Adverse Childhood Experiences Studie aus dem Jahre 1999 zeigt, dass eine Traumatisierung die Lebenserwartung eines Menschen nachhaltig verringert. Traumata stören vor allem in den kindlichen Entwicklungsphasen die Ausbildung der Stressverarbeitungs-Mechanismen. Sie erhöhen in einem komplexen Zusammenspiel neuronaler und hormoneller Vorgänge die Entzündungswerte im Blut, was den frühzeitigen Beginn schwerer Erkrankungen wie Herz-Kreislaufprobleme, Autoimmunerkrankungen sowie Tumorbildungen begünstigt und zu einem Anstieg der Mortalität führt.

Laut Ausführungen des Psycho-Neurobiologen Christian Schubert genügen sechs schwerwiegende Traumatisierungen in den ersten 18 Lebensjahren um die Lebenserwartung um 20 Lebensjahre zu reduzieren. Eine US-Studie zeigt, dass bereits ein Monat Schulschließung zu einer Verminderung der Lebenserwartung von 0,6 Monaten führt.

In Deutschland waren die Kitas Corona-bedingt an 61 Tagen komplett geschlossen, die Grundschulen an 64 Tagen und die Sekundarschulen an 84 Tagen. Pädiater hatten rechtzeitig vor den Folgen dieser Maßnahmen gewarnt. Inzwischen hält sogar der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die von ihm mit zu verantwortenden Schließungen für medizinisch nicht angemessen und nicht nötig!

Außerdem hat der durch Schulschließungen und soziale Isolation eingetretene Lernverlust bereits jetzt zu messbarer Intelligenzminderung geführt. Eine Studie bei Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen sieben bis neun in Rheinland-Pfalz ergab 2020 im Vergleich zu 2002 ein deutlich niedrigeres Intelligenzniveau. Es steht zu vermuten, dass auch hier Trauma-bedingte neuronale Blockaden, die eine Intelligenzentwicklung einschränken, mit ursächlich sind. Eine Metastudie der Universität Oxford zeigt, dass vor allem die Schulschließungen zu massiven Lerndefiziten geführt haben. Der Lernfortschritt brach um ein Drittel ein. Ein deutsches Boulevard-Blatt titelte im März 2023, dass Corona unsere Kinder dumm gemacht habe. Es war aber nicht Corona! Es waren die von Anfang an die umstrittenen Maßnahmen der Corona-Bekämpfung, die Kinder und Jugendliche in ihrer sprachlichen, emotionalen und schulischen Entwicklung massiv und nachhaltig geschädigt haben.

Vor diesem Hintergrund sprechen auch Verfassungsrechtler von einer krassen Fehlentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe unter seinem Präsidenten Stephan Habarth, das entgegen der Einwände von Erziehungswissenschaftlern, Kinderärzten und Verbänden, im November 2021 den Schulschließungen der sogenannten Bundesnotbremse im Nachhinein einen Freibrief erteilte. Das Kindeswohl habe keine Rolle gespielt!

Nach einer Studie der Donau-Universität Krems zeigen 56 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Österreich depressive Tendenzen, über 10 Prozent von ihnen sind suizidal. Auch in Deutschland hat sich die Suizidrate bei Kindern seit 2021 verdreifacht. Viele Kinder würden nach der Corona-Krise nicht mehr leben wollen, berichtet auch der Chefarzt der Esslinger Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Grundsätzlich treffen die Auswirkungen der Pandemiebekämpfung auf sehr unterschiedliche persönliche, familiäre und sozioökonomische Ausgangsvoraussetzungen. So gehören z.B. persönliche Lebenskrisen, schwierige soziale Lebensverhältnisse sowie körperliche oder psychische Vorerkrankungen während eines Lockdowns zu belastenden Individualfaktoren.  Aber auch systemische Faktoren haben für die Bewältigung der Auswirkung von Pandemiebekämpfungs-Maßnahmen große Relevanz. So wirkten sich körperliche oder psychische Erkrankungen, Suchtprobleme oder gewalttätiges Verhalten von Familienangehörigen und Bezugspersonen im Kontext der einschränkenden Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung verschärfend aus. Fehlende Tagesstruktur und mangelnde Rückzugsmöglichkeiten führten in der Krisenzeit zu häufigerem familiärem Streit und zu Konflikten. Dabei werden Kinder vor allem dann psychisch belastet, wenn sich ihre Eltern seelisch belastet fühlen und gestresst sind.

Die Hauptverlierer der Corona-Krise sind vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien. Die meisten Kinder und Jugendlichen leben nicht in den Villen der Eliten oder in den Reihenhäusern der gehobenen Mittelschicht. Sie verfügen über keine Gärten hinter ihrem Haus, sondern leben in Mietskasernen und Wohnburgen, oft ohne Individualraum und Rückzugsmöglichkeit. Die „COPSY“-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zeigt, dass geringes Einkommen der Eltern und beengte Wohnverhältnisse das Auftreten psychischer Auffälligkeiten bei Kindern unterstützen Armut verschärft die Bedingungen eines Lockdowns und kann krank machen. Hinzu kommt der massive Anstieg von Gewaltdelikten gegenüber Kindern in der Zeit der Lockdowns. Gerade diejenigen, die sowieso bereits sozial benachteiligt sind, die Kinder und Jugendlichen aus sozialen Randgruppen und mit Migrationshintergrund, sind die Hauptleidtragenden der Corona-Krise. Auch die Corona-Krise hat die Schwächsten am härtesten getroffen!

Viele Eltern berichten vom Nichtzurechtkommen mit der durch den Wegfall der Alltagsstrukturen entstandenen offenen und entgrenzten Lebenssituation ihrer Kinder während der Corona-Krise. Der Schulpräsident Heinz-Peter Meidinger spricht davon, dass während der Zeit der Schulschließungen etwa ein Viertel der Schülerschaft „abgehängt“ worden sei. Der Psycho-Neurobiologe Christian Schubert zweifelt, dass die kollektive Traumatisierung einer ganzen Generation aufgefangen werden könne. Der Verbandspräsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, Thomas Krüger, befürchtet sogar eine „verlorene Generation“.


Wie grenzen Sie Notfall- von Trauma-Pädagogik ab?

Bernd Ruf: Traumata verändern auch das Leben von Kindern tiefgreifend und nachhaltig. Sie benötigen deshalb nach traumatischen Erfahrungen besonderer Unterstützung und Zuwendung. Neben psychologischen Ansätzen wurden in den letzten Jahren auch Konzepte notfall- und traumapädagogischer Interventionen entwickelt.

Notfallpädagogische Interventionen finden in den ersten Entwicklungsphasen des traumatischen Prozesses statt, in denen sich erst entscheidet, ob das belastende Erlebnis verarbeitet werden kann oder ob sich eine Trauma-Folgestörung entwickeln wird. Mittels pädagogischer Methoden sollen die Selbstheilungskräfte und Verarbeitungsmöglichkeiten der belasteten Kinder und Jugendlichen so angeregt und gefördert werden, dass eine Bewältigung des Erlebten unterstützt und ermöglicht wird. Es geht um Aktivierung von Resilienz-Kräften und um die Verhinderung möglicher Trauma-Folgestörungen. Je schneller die Hilfe, desto kürzer wird meist der Leidensweg!

Während Notfallpädagogik als sekundäre Prävention am Beginn des Traumaprozesses mittels pädagogischer Methoden stabilisierende Erste Hilfe für die Seele leistet, um Trauma-Folgestörungen abzuwenden, arbeitet Traumapädagogik als tertiäre Prävention in den Phasen der Traumaerkrankung. Hier sind neben Methodenvielfalt weitaus komplexere organisatorische Strukturen, multiprofessionelle Zusammenarbeit und pädagogisch-therapeutische Angebote erforderlich.

Die zurückliegenden Jahre haben zu einer komplexen kollektiven Corona-Traumatisierung geführt, deren Folgen sich gegenwärtig entfalten. Wir haben nicht nur die Traumafolgen bei Kindern und Jugendlichen zu beachten, sondern auch die systemischen Trauma-Auswirkungen in ihren Lebenswelten von Familie sowie Kindergarten und Schule. Auch die Eltern und die pädagogischen Fachkräfte der Kinder und Jugendlichen zeigen oft traumawertige Belastungen, die einer Bearbeitung zugeführt werden müssen.

Laut einer Umfrage der Arbeitskammer Oberösterreichs hat sich bei etwa 40 Prozent der oberösterreichischen Arbeitnehmer die körperliche und psychische Gesundheit verschlechtert. Sie kämpfen mit Freudlosigkeit, Schlafproblemen und Erschöpfungszuständen. Experten sprechen von einem Eltern-Burn-out! Auch in Kindergärten und Schulen zeigen gegenwärtig etwa ein Drittel der Mitarbeiterschaft Müdigkeit, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Anzeichen eines Burn-outs. Pädagogische Fachkräfte berichten von posttraumatischen Motivationsproblemen, anhaltender Schreckhaftigkeit, Gedächtnisstörungen, panikartigen Ängsten und zunehmenden ehelichen Partnerschaftsproblemen. Viele sind dauerhaft krank.

In den USA musste die Bildungsbehörde von Detroit im US-Bundestaat Michigan Schulen schließen – nicht wegen Corona-Erkrankungen, sondern zwecks mentaler Entlastung, weil sich die Lehrkräfte ausgebrannt fühlen. Traumatisierte Kinder und Jugendliche benötigen aber für ihre psychische Stabilisierung notwendigerweise physisch und psychisch stabile Bezugspersonen! Ängstlich-instabile Bezugspersonen dagegen sind zur Stabilisierung traumabedingt destabilisierter Kinder und Jugendlicher ungeeignet. Sie chaotisieren die Kinder und Jugendliche nur noch mehr.

Eltern müssen deshalb psycho-pädagogisch geschult und im pädagogischen Umgang mit den Trauma-bedingten Reaktionsweisen ihrer Kinder beraten und unterstützt werden. Sie müssen in Beratungsgesprächen oder Gruppensettings lernen, das oft auffällige und meist auch störende Verhalten ihrer Kinder als missglückten Selbstheilungsversuch und Hilferuf zu verstehen und adäquate Erziehungsmethoden zu entwickeln.
Gerade für pädagogische Fachkräfte sind in der Nach-Covid-Phase durch eigene Traumata, durch die Traumreaktionen der Kinder und Jugendlichen sowie durch die immer konfliktreichere Interaktion mit Eltern und Kollegenschaft an ihren Belastungsgrenzen angelangt. Sie benötigen dringend spezifischer Ansätze zum Umgang mit Belastungen und zur Verhinderung des Burn-out Syndroms. Es handelt sich dabei u.a. um gezielte Übungen zur Erschließung kreativ-vitalisierender Kräfte. Man könnte von auch von einem „Anti-Stressprogramm“ für pädagogische Berufe sprechen:


Welche Möglichkeiten sehen Sie im Einzelnen, den Kindern zu helfen und diese schweren seelischen Verwundungen der Corona-Zeit allmählich wieder zu heilen?

Bernd Ruf: Der physische Körper ist vor dem Hintergrund der Anthropologie Rudolf Steiners ein Instrument der geistigen Individualität. Ohne ihn ist eine Selbstwirksamkeit des Menschen in der physischen Welt nicht möglich. Der Gedanke vom Leib als Instrument des Ichs macht die Verantwortlichkeit des Menschen seinem „Arbeitsinstrument“ gegenüber deutlich. So ist selbstverständlich auf Hygiene, gesunde Ernährung, ausreichende Bewegung, genügend Schlaf u.v.m. zu achten.

Rhythmus und Zeit sind untrennbar mit dem Leben verbunden. Somit zeigt sich Rhythmus als eine Urerscheinung allen Lebens. Das gesamte menschliche Leben ist durch rhythmische Elemente geprägt. Rhythmus hält das menschliche Leben im Gleichgewicht, gibt Kraft. Wird der Rhythmus gestört, fällt man aus dem Gleichgewicht. Physische und psychische Erkrankung sind auf Dauer eine zwangsläufige Folge. Der Rhythmus hat für die physische Gesundheit, das Lebensgefühl und den damit verbundenen sozialen Implikationen erhebliche Bedeutung. Eine bewusste Rhythmisierung des Alltagslebens kann innere, vitalisierende Kraftquellen erschließen. Sie ist ein wesentliches Element bewusster Lebensführung und stellt eine wichtige Hilfe im Umgang mit Belastungen dar.

Der harmonische Zusammenklang der psychischen Grundkräfte von Kognition (Denken), Emotionalität (Fühlen) und Handlungskompetenz (Wollen) bildet die Grundlage innerer, psychischer Gesundheit des Menschen. In diesem Zusammenklang gründen sich auch die Möglichkeiten des schöpferischen Tuns. Ob Eurythmie, Musik, Sprache, Farbe oder Form – alle Kunstwerke werden durch das menschliche Fühlen aufgenommen und erlebt. Die Schulung dieses Erlebens ist, neben der Schulung der Sinne und der feinmotorischen Schulung, Aufgabe aller künstlerischen Übung. Immer wird beim künstlerischen Tun an die innere Aktivität appelliert. Es können durch die innere Aktivität im künstlerischen Prozess kreativ-schöpferische Kräfte entfaltet werden, die sich wiederum kräftigend und vitalisierend im Alltag auswirken.
Die Bedeutung von imaginativ heilsamen Bildern, von Achtsamkeitsübungen, von religiös-spirituellen Einstellungen sowie von Gebet und Meditation im Kontext der Trauma-Prävention und der Trauma-Bewältigung ist in der Psychotraumatologie und verschiedenen Schulen der Traumatherapie hinreichend bekannt.

Für die Stabilisierung von Corona-traumatisierten Kindern und Jugendlichen sind in der Nach-Covid-Phase besonders indirekte pädagogische Stabilisierungs-Methoden sinnvoll, die dazu beitragen, Resilienz-Kompetenz zu aktivieren und damit die leidvollen Trauma-Symptome zu lindern sowie eine Verarbeitung des Erlebten zu fördern:
Durch gezielte Rhythmuspflege soll der traumatisierte kindliche Organismus wieder harmonisiert und seine Selbstheilungskräfte aktiviert werden. Dabei geht es u.a. um strukturierte und rhythmisierte Tagesabläufe sowie geregelte Essens- und Schlafzeiten. Ritualisierungen wie Tischgebete, Morgen- und Einschlafrituale geben Sicherheit, Halt und neue Orientierung. Bewegungstherapeutische Ansätze der Eurythmie und Bothmergymnastik sowie Massagen, rhythmische Einreibungen und körpergeographische Übungen können dazu beitragen, Trauma-bedingte Verkrampfungen zu lösen und ein neues Verhältnis zum eigenen Körper zu finden. Künstlerische Aktivitäten wie Malen, Zeichnen, Kneten, Tanzen oder Musizieren können darüber hinaus helfen, dem eigentlich Unsagbaren, verbal nicht Mitteilbaren kreativen Ausdruck zu verleihen und so einer Bearbeitung zuzuführen.

Erlebnispädagogische Ansätze können, z.B. durch Kletterübungen, das durch das Trauma verlorengegangene Vertrauen in sich und Andere wiederaufbauen, die oft stark beeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit, z.B. durch Fadenspiele, Memory oder Mikado, üben und den traumabedingten Verlust sozialer Kompetenz spielerisch auszugleichen und neue Sozialfähigkeiten zu erschließen. Im Erzählen von altersgemäßen Märchen, Geschichten und Biographien können heilende Bilder den durch die Traumatisierung entstandenen Zerstörungsbildern im Seeleninnern entgegengestellt werden. Auch Puppenspiele haben sich in der notfallpädagogischen Intervention als hilfreich erwiesen. Durch die Identifikation mit Puppenfiguren können belastende Erlebnisse stellvertretend im Spiel dargestellt und kreativ verarbeitet werden.

Das Trauma fixiert sein Opfer an die schreckliche Vergangenheit und verbaut ihm Zukunftsperspektiven. Mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen muss deshalb Zukunft neu erobert werden. Dies kann durch eine gemeinsame Planung und Umsetzung von Projekten, wie z. B. einem gemeinsamen Essen oder einem Ausflug, geschehen. Dadurch werden auch Trauma-bedingte Ohnmachts- und Hilflosigkeitsgefühle überwunden, neue Handlungskompetenzen erworben und Selbstwirksamkeitserfahrungen eröffnet.

Bei der Anwendung aller Methoden sollte schließlich der Faktor Freude nicht vergessen werden. Freudige Momente erhöhen die Bereitschaft des Organismus zur Gesundung. Es gibt Studien der Universität Pittsburgh, die den Zusammenhang des Stressniveaus einer Person zur Wahrscheinlichkeit, an einer Erkältung zu erkranken, vorhersagen. Stress, Wut, Ärger oder negative Erinnerungen lösen für einige Minuten chaotische Herzrhythmen aus in deren Folge das Immunsystem für etwa sechs Stunden geschwächt wird. Die Immunglobuline A, die in den Schleimhäuten ständig neu gebildet werden und dort gegen Infektionen schützen, fallen nach Stress deutlich ab, was die Widerstandskraft des Organismus schwächt. Daher hat auch jeder nach einem traumatischen Erlebnis ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko. Umgekehrt führen Freude, Empathie-Erleben und positive Erinnerungen zur Herzkohärenz sowie zur Erhöhung der Produktion von Immunglobulinen A und damit zu einer Erhöhung der Widerstandskraft. Freude regt Selbstheilungskräfte an, Freude heilt!

In Krisenzeiten und in Bedrohungssituationen benötigen Kinder und Jugendliche neben Stabilisierungs-Methoden auch Orte, an denen sie sich sicher und geborgen fühlen können. Um solche Orte derartiger Sicherheit sein zu können, müssen pädagogische Einrichtungen auf der physischen Ebene jetzt besonders auf klare, transparente Strukturen (Abläufe, Zuständigkeiten, Ordnung, Sauberkeit usw.) sowie auf Ästhetik in der Gestaltung von Wohn-, Arbeits- und Gemeinschaftsbereichen (Blumen, Bildschmuck, Tischgestaltung usw.) achten. Rudolf Steiner verwies Anfang des 20. Jahrhunderts auf den Zusammenhang zwischen der damaligen Alltagsästhetik und der Entstehung von Infektionskrankheiten hin. Ästhetik in der äußeren Gestaltung trägt dazu bei, das Immunsystem zu stärken. Schönheit heilt!

Auch die Gestaltung der zeitlichen Abläufe ist jetzt wichtiger, denn je: Alltagsstruktur, Rhythmisierung des Tages- und Wochenablaufes. Auch Rituale stärken unsere Immunkräfte. Rhythmisierung und Ritualisierung geben Halt und Orientierung!

Besonders bedeutsam ist die Gestaltung der Beziehungseben: Zuwendung, Interesse, seelische Wärme und Nähe, Gemeinschaft sind wesentliche Elemente einer psychosozialen Prävention. Eindrücklich zeigen Studien, welchen Einfluss menschliche Zuwendung und soziale Inklusion auf die bio-psychosoziale Gesundheitsdisposition des Menschen haben. Das gilt auch für die Post-Covid-Zeit.

Auf der mental-spirituellen Ebene geht es schließlich um die Stärkung der spezifischen Einrichtungsidentität: Leitbildarbeit, Wertestandards, Aufgabenstellungen, Sinnfindung! Das stärkt nicht nur den sozialen Organismus der Einrichtung, sondern wirkt sich bis in die Resilienz-Kompetenz der Kinder und Jugendlichen sowie der pädagogischen Mitarbeiterschaft aus.

Abschließend sei noch angemerkt: Es gibt kein Leben ohne Traumatisierungen, aber nicht jedes Trauma macht krank! Die Verarbeitung einer traumatischen Erfahrung hängt weniger von den Faktoren eines Ereignisses ab, also Dauer, Schwere oder Ausgang, sondern vielmehr von Individualfaktoren, wie Alter, Temperament, bisherige Erlebnisse und ihre Verarbeitungs-Möglichkeiten usw. Diese individuellen Bewältigungs-Möglichkeiten entscheiden im Wesentlichen darüber, ob die seelische Verletzung durch die Selbstheilungskräfte bewältigt werden kann oder in krankhafte Trauma-Folgestörungen einmünden wird.

Darüber hinaus stellen auch Umweltfaktoren, wie z.B. soziale Unterstützung, einen wichtigen Einflussfaktor dar. Aus diesem Zusammenspiel von Risiko-und Schutzfaktoren entscheidet sich schließlich der Verlauf des Traumaprozesses.

Jede Krise ist auch eine biographische Chance. Die psychotraumatologische Forschung zeigt heute eindrücklich, dass unbewältigte Traumata Destruktionspotentiale entwickeln können, die das Leben des Opfers nachhaltig aus der Bahn werfen. Aber ebenso eindrücklich zeigen die Forschungsstudien, wie bewältigte Traumata nachhaltige Resilienzen bilden und zu einer Persönlichkeitsreifung beitragen können. Nach Studien der Columbia University/USA soll dies sogar die Regel sein: 60-80 Prozent derjenigen, die Traumatisierungen durchlebten, seien langfristig zufriedener und resilienter geworden. Klinische Erfahrungen zeigen deutlich, dass auch Kinder und Jugendliche persönliche Vorrausetzungen mitbringen, die es ihnen ermöglichen, nach unterschiedlichsten Traumatisierungen, posttraumatisches Wachstum zu erfahren.

Die Förderung eines posttraumatischen Wachstums ist Aufgabe und Ziel in der Arbeit auch mit Corona-traumatisierten Kindern und Jugendlichen. Notfall- und Trauma-Pädagogik will Kinder und Jugendliche weltweit bei der Bewältigung ihrer belastenden Erfahrungen unterstützen und so versuchen, mögliche Trauma-Folgestörungen zu verhindern, abzumildern oder zu heilen. Es ist letztlich der Versuch, eine eingetretene leidvolle Krise in eine biographische Chance zu verwandeln.