Die digitalen Bücherverbrennungen

„Das war ein Vorspiel nur,
dort wo man Bücher verbrennt,
verbrennt man auch am Ende Menschen.“
                        (Heinrich Heine 1797-1856)

 Auf eine gegenwärtig mehr im Verborgenen stattfindende Form der immer mehr anschwellenden totalitären Meinungs-Unterdrückung weisen der bekannte Medizin-Kritiker Dr. Gerd Reuther und die Historikerin Dr. Renate Reuther im Eingangs-Essay ihres neuen Buches „Wer schweigt, hat schon verloren“ hin.1 Suchmaschinen und Buchhändler finden auf einmal keine Bücher oder Artikel mehr, da sie politisch unerwünscht sind, Bibliotheken entledigen sich unkorrekter Bestände. Was heute im digitalen Raum nur von Computern gefunden wird, kann auch von Computern verborgen gehalten werden. „Die digitalen Scheiterhaufen lodern“ im Dienste der „Informations-Inquisition“. Wir danken Herrn und Frau Reuther für die Erlaubnis zum Abdruck des Essays. (hl)

Bücherverbrennung 1933 in Deutschland, Auftakt für die eigentliche „Hinrichtung des Ungeistes“ (Wikipedia)


Wer sucht, der findet – immer weniger

 Von Gerd und Renate Reuther


Die digitalen Scheiterhaufen lodern in der Hitze leistungs-starker Supercomputer. Die sozialen Netzwerke löschen und manipulieren. Bibliotheken haben sich unerwünschter Bestände entledigt. Archive hüten wieder „Giftschränke“ verbotener Literatur. Die Buchhändler wissen, was nicht verfügbar sein soll. Suchmaschinen finden nicht mehr, sondern verschweigen. Die Informations-Inquisition läuft auf Hochtouren. Ein Aufschrei ist selbst unter der kritischen Minderheit der Bevölkerung kaum vernehmbar. Das unbeschwerte, aber feige Leben ist verlockender.

Zunächst waren es nur bestimmte Themen, bei denen Suchmaschinen ausschließlich befangene Treffer lieferten. Inzwischen sind die Ergebnisse der meisten Anfragen zu Desinformationsmüll verkommen. Recherchen nach Personen, die ein Buch verfasst haben, produzieren seitenlang Treffer von Händlern, die das Werk listen. Über andere, sogar aktuellere Aktivitäten des Autors behauptet man, nichts zu wissen. Publikumsverlage sind für unangepasste Autoren längst außer Reichweite. Als „rechts“ diffamiert, werden Selbstdenkern Vortragsorte verwehrt. Feuilletons ignorieren sie. Wer nur noch auf Internet-Blogs veröffentlichen kann, weil er Unerwünschtes sagt, wird unsichtbarer.

Schlimm ist nicht nur das Verlöschen von Personen, Fakten und Meinungen. Fast noch schlimmer ist, dass viele Menschen diese manipulierte Recherchezensur gar noch für die Grenzen des Wissens halten. Nutzer von Apps hat man bereits in schrumpfende Käfige der Erkenntnis gesteckt. Die Welt wird enger. Könnte dies die wahre Bedeutung von „global village“ aus Sicht der Erfinder sein? Was Google nicht hat, brauchen Sie nicht.

Wer schließlich nichts mehr findet, ist wohl genauso glücklich wie diejenigen, die nichts mehr besitzen. Das hatten wir in Europa schon mehrfach: unter den Feudalherren und im Sozialismus – ob der nun „national“ oder kommunistisch verbrämt war. Selig sind die, welche nichts besitzen und arm im Geiste sind.

Aber gibt es nicht Alternativen zu Google? Dem Namen nach schon, den Ergebnissen nach nicht. Die entscheidenden Informationen bekommen Sie bei DuckDuckGo & Co. genauso wenig. Meist unterscheiden sich die nutzlosen Treffer nur in ihrer Reihung. Was bringen Suchanfragen, wenn Ergebnisse nur die Narrative des Mainstreams bestätigen und Unerwünschtes nicht mehr liefern? Dann macht es wenig Sinn, überhaupt noch zu suchen.

Das gilt auch für die vorgebliche Online-Enzyklopädie Wikipedia, von deren ursprünglicher Zielsetzung als umfassende Wissenssammlung kaum etwas übrig ist. Wikipedia ist zu einer systematisch zensierten und manipulierten Waffe gegen unliebsame Fakten, Meinungen und Personen verkommen. Selbst Larry Sanger, einer der Mitbegründer, bestätigt dies in einem Interview, in dem er feststellt, dass „die Tage von Wikipedias rückhaltloser Verpflichtung zur Neutralität längst Geschichte sind.“ Mit dem Digital Services Act der EU werden die Lügen von Wikipedia, Youtube und den sozialen Netzwerken überdies zur allein zulässigen Wahrheit gekürt.
Wer anderes von sich gibt, dem drohen Sanktionen.

Aber keine Angst, die Älteren von uns wissen noch, wie das geht: ein Leben ohne Google und die anderen Verdummungsalgorithmen. Es gibt noch gedruckte Bücher und das eigene Gehirn. Es gab ein Leben vor Google, wie vor Smartphones. Es gibt auch eines danach. Und es wird viel besser sein, wenn wir uns wieder auf unsere eigenen Wahrnehmungen, Recherchen und Zweifel stützen.

Not macht bekanntlich erfinderisch. Es gab immer Zeiten, in denen Wissen und Denken verboten war. Vielleicht brauchen wir – wie im Irland des 19. Jahrhunderts – wieder einmal Heckenschulen, um Sprache, Kultur und Fakten an die nächste Generation weiterzugeben. Oder wir werden als „Buchmenschen“ wie im Roman „Fahrenheit 451“ des amerikanischen Schriftstellers Ray Bradbury (1920-2012) durch die Wälder wandeln und Bücher auswendig lernen. Bisher fand sich meist ein Weg, um der Tyrannei der Unwissenheit zu trotzen. Unser indoktriniertes Gehirn würde es uns danken.

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1   Gerd und Renate Reuther: Wer schweigt, hat schon verloren, Leipzig 2024