Von der Politik-Wissenschaft, die keine ist, und selbst Politik macht

„Politik ist keine Wissenschaft, wie viele der
Herren Professoren meinen, sondern eine Kunst.“
                                                   Otto von Bismarck

Wer kennt nicht bei politischen Ereignissen, vor oder nach Wahlen z. B., die Interviews der Medien mit Politikwissenschaftlern, die als „wissenschaftliche“ Experten befragt werden, um den staunenden Kreuzchen-Machern die richtigen Urteile über das politische Geschehen zu vermitteln. Fragt man sich hinterher, wo denn das „wissenschaftliche“ Ergebnis gewesen sein soll, so muss man feststellen: es gab keins. Was sie von sich gegeben haben, hätte irgendein Parteipolitiker oder halbwegs wachsamer Beobachter genauso sagen können. „Politikwissenschaft“ ist keine Wissenschaft, sondern politisches Gerede, das im Weihrauch einer „wissenschaftlichen Autorität“ daherkommt.

Die Politik-Experten

Am 23.10.2018, wenige Tage vor der Landtagswahl in Hessen, stand in der FAZ online ein Interview mit dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Frank Decker, „seit 2011 wissenschaftlicher Leiter der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik“. Auf Fragen nach der bundespolitischen Bedeutung  der Wahl in Hessen und ihren möglichen Folgen sagte er:
„Es ist nicht auszuschließen, dass es nach der Hessen-Wahl in der Bundesregierung zu personellen Änderungen oder einem vorzeitigen Ende der Großen Koalition kommt. Die aktuellen Umfragen zeigen, dass die CDU mit erheblichen Verlusten rechnen muss. Selbst wenn sie stärkste Kraft bleibt, könnte sie aus der Landesregierung herausfallen. Angela Merkel würde dadurch stark unter Druck geraten. Möglicherweise würde sie auf dem Parteitag im Dezember nicht wiedergewählt. Sie selbst hat den Zusammenhang zwischen Parteivorsitz und Regierungsamt immer betont, sodass sie dann auch nicht Kanzlerin bleiben könnte. Damit geriete alles ins Rutschen.“ 1
Und so geht es weiter. Zukunftsspekulationen und von Wissenschaft keine Spur.

Die ARD-Tagesschau, die diese „Experten“ ebenfalls gerne gezielt als „Autoritäten“ einsetzt, interviewte nach der Hessenwahl den Professor für Politikwissenschaft an der Universität Kassel Wolfgang Schroeder, der auch der Grundwertekommission der SPD angehört:
„Diese Landtagswahl war eigentlich eine kleine Bundestagswahl. Die Bürger haben sie genutzt, um die Bundesregierung abzustrafen. Aus Bouffiers Sicht ist das Ergebnis deshalb wohl vertretbar. Er hatte sicherlich die Umfrageergebnisse vor Augen, die zeitweise auf 25 Prozent abgerutscht waren, auf Bundesebene sogar noch tiefer. Deshalb bewertet er dieses Ergebnis positiver als es ist.“ 2
Ein überraschender „wissenschaftlicher“ Befund.

Auf die Frage nach der SPD sagte der SPD-Mann u.a.:
„Eigentlich hat Schäfer-Gümbel einen soliden Wahlkampf gemacht und man kann durchaus bewundern, wie er das bei allem Gegenwind durchgezogen hat. (…) Es geht hier aber nicht um einzelne Personen, sondern insgesamt um eine Aufstellung in der SPD. (…) Da scheint die Personaldecke der SPD gegenwärtig eher dünn zu sein. Aber vielleicht auch breiter als erkennbar; schließlich werden die meisten deutschen Großstädte durch sozialdemokratische Bürgermeister regiert.“
Ein „wissenschaftlicher“ Blick, für den manches nicht so recht erkennbar ist.

Die Frage nach den Konsequenzen veranlasste ihn zu einem Blick in eine „wissenschaftliche“ Zukunftsschau:
„Klar ist, dass die Bundesregierung mit diesen beiden Wahlen in Bayern und Hessen nicht einfach so weitermachen kann. Sie haben viel Vertrauen verspielt und das müssen sie irgendwie wieder zurückgewinnen. Eine Variante dafür wäre, neues Personal nach vorne zu stellen. Da die SPD das in letzter Zeit recht häufig gemacht hat, wäre es wohl sinnvoll, das diesmal nicht zu tun. Man kann nicht alle paar Monate den Parteivorsitzenden auswechseln.“
Letzteres ist wieder „wissenschaftlich“ klar erkannt.

Die Frage der Wissenschaft

Zur Frage der Wissenschaft muss man grundsätzlich Erkenntnis und Handeln unterscheiden. Eine sichere Erkenntnis kann sich nur auf das beziehen, was bereits entstanden ist. Unser Handeln und Gestalten richtet sich dagegen in die Zukunft, die wir punktuell als wünschenswert vorausdenken und realisieren wollen. Besonders anschaulich wird dies im künstlerischen Prozess. Der Maler beispielsweise erfasst in seiner Vorstellung mehr oder weniger deutlich ein Bild, das er sukzessive auf der Leinwand farbige Wirklichkeit werden lässt.

Wissenschaft kann sich nur auf das Gewordene, Vergangene beziehen, also auf die Natur außerhalb und innerhalb des Menschen, sowie auf alles, was an menschlichem Denken und Tun bereits geschehen ist. Dies gilt es, mit der Erkenntnis zu durchdringen. In der Politik geht es um die unmittelbar zukünftige Gestaltung der Gesellschaft. Das ist noch ein offener Prozess, in dem um die richtigen Ideen gerungen wird, wie es werden sollte. Politik kann also prinzipiell nicht Gegenstand von Wissenschaft sein, sondern allenfalls einer sozialen Kunst, wie Bismarck bereits treffend bemerkte.

Es ist wie in der Pädagogik, der Erziehung, der auch fälschlich der Mantel der Wissenschaft umgehängt wird. Es geht um zukünftiges erzieherisches Handeln, und da kann man nur von Erziehungskunst sprechen, der natürlich Wissenschaften vom Menschen wie Anthropologie, Psychologie und eine Ideengeschichte pädagogischen Handelns zugrunde liegen müssen.

So müssen der Politik die Geschichte politischer Theorien, die Kenntnisse der Soziologie, der verschiedenen bisherigen Staatsformen, des Rechts, der Wirtschafts- und Kulturentwicklung zugrunde liegen. Aber das sind Spezialgebiete der Geschichte als Hilfswissenschaften. Die Politik selbst aber kann keine Wissenschaft sein. Andernfalls bläst sie sich als eine das richtige Handeln normativ vorschreibende Disziplin auf, die die Freiheit des Handelns aufhebt.

Normative Politologie

Einzelne Politikwissenschaftler haben selbst auch Zweifel, ob die Politikwissenschaft im strengen Sinne eine Wissenschaft ist. So ging Volker von Prittwitz, Professor am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin, in einer Studie mit dem Titel „Ist die Politikwissenschaft eine Wissenschaft?“ gezielt dieser Frage nach.3  Er schreibt da unter Punkt 08:
„Ob die heutige Politikwissenschaft als Wissenschaft im engeren Sinne verstanden werden kann, bemisst sich danach, wieweit die beiden grundlegenden Wissenschaftsanforderungen erfüllt sind, überprüfbare Methoden (Aussagen) und als gültig anerkannte Theoriebildung. Zwar ist das Kriterium überprüfbarer Aussagen inzwischen in der Politikwissenschaft weitgehend akzeptiert; es gibt aber keine als gültig anerkannten theoretischen Grundlagen der Disziplin; ja es fehlt sogar jedes Bestreben, gültige Theorie mit möglichst hohem empirischem Gehalt zu bilden.
Dementsprechend produziert die Politikwissenschaft bisher keine grundlegenden Erkenntnisse oder Anstöße, die Ausgangspunkt für sozial- oder politikrelevante Innovationen sein könnten; sie ist also keine Wissenschaft im Sinne erkenntnisorientierter Methoden- und Theorieorganisation.“

Er kommt aber selbst nicht darauf, dass es für die Politik keine „gültige Theorie mit empirischen Gehalt“ geben kann, weil sie ihrem Wesen nach kein empirischer (erfahr- und beobachtbarer) Gegenstand ist, sondern zukünftiges Handeln bedeutet. Da empirische Kriterien fehlen, „so erscheinen“, wie V. v. Prittwitz in Punkt 10 selber beschreibt, „Kriterien unmittelbarer praktisch-politischer Relevanz als naheliegende Alternative. Diese Haltung, die oft mit Marx‘ elfter Feuerbachthese (Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern), mit Sprüchen wie Grau ist alle Theorie oder schlicht durch Distanzlosigkeit motiviert ist, führt allerdings zum Gegenteil dessen, was proklamiert wird: Eine Politikwissenschaft, die unmittelbar und ausschließlich praktisch orientiert ist, löst sich als Wissenschaft auf.“

D.h. man kommentiert gegenwärtiges politisches Handeln und spekuliert über künftiges, wobei unvermerkt normative, das politische Handeln leitende Maßstäbe einfließen, die suggerieren, was besser gemacht und verändert werden muss, die also das „wissenschaftlich“ richtige Handeln für die Zukunft empfehlen, d.h. selbst Politik machen.
Das wirft die Frage auf: Was liegt dieser erst relativ neuen Disziplin „Politikwissenschaft“ zugrunde. Sie kann sich ja nicht einfach zufällig so entwickelt haben.

Etablierung der Politikwissenschaft

Es gab im 18. Und 19. Jahrhundert bereits einige akademische Ansätze zu einer politischen Wissenschaft. In Deutschland entstand 1920 die private „Hochschule für Politik“ in Berlin, wo Wissenschaftler anderer Disziplinen für die Stützung der Demokratie in der Weimarer Republik arbeiteten; sie wurde nach 1945 zum Otto Suhr-Institut der FU Berlin. 1924 bildete sich das ebenfalls privat finanzierte „Institut für Sozialforschung“ (IfS) in Frankfurt/Main, in dem Philosophen, Soziologen und Psychologen an die Theorien von Marx und Freud anknüpften, um die Kenntnis und Erkenntnis des sozialen Lebens in seinem ganzen Umfang in einer kritischen Theorie der Sozialwissenschaft zusammenzufassen, die eine „Politikwissenschaft“ in speziellen einschloss. Diese ist als eigene Disziplin an der Uni Frankfurt auch heute noch eng mit der Soziologie verzahnt.

Eine eigene Disziplin „Politikwissenschaft“ entwickelte sich in Deutschland aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg – und dies ist nun entscheidend wichtig – „unter US-amerikanischem Einfluss. Anknüpfen ließ sich dabei an Aktivitäten der Deutschen Hochschule für Politik, die in der Frühphase der Weimarer Republik 1920 in Berlin gegründet worden war und bis zu ihrer Eingliederung in die Berliner Universität 1940 bestand. Politikwissenschaft wurde damals im Wesentlichen als Demokratiewissenschaft verstanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand ihr Selbstverständnis als Demokratiewissenschaft und damit als Wissenschaft von der Funktionsweise der Demokratie erneut im Zentrum. Mit ihrer Hilfe sollten insbesondere Mittler wie Lehrer und Journalisten befähigt werden, den demokratischen Gedanken zu vermitteln und demokratisches Denken in der Bevölkerung zu verankern.“ (Wikipedia)

Die Politikwissenschaft sollte also neben der implantierten Soziologie, für die die „Frankfurter Schule“ des IfS exemplarisch steht4, ein wesentliches Instrument der „Reeducation“ der Deutschen sein. Sie sollten an das westliche Modell der parlamentarischen Demokratie gebunden werden, die wegen ihres Regelungsanspruches aller Lebensbereiche, also neben dem des politisch-rechtlichen auch des Kultur- und des Wirtschaftslebens, in Wirklichkeit hinter formaldemokratischer Fassade eine Oligarchie, eine in Parteien organisierte Elitenherrschaft darstellt. Und die entstehende deutsche Elite in Politik, Medien, Wirtschaft und Wissenschaft wurde und wird in verschiedenen transatlantischen Gesellschaften wie „Atlantik-Brücke“, des „Aspen-Instituts“ und anderen unterschwellig an die US-amerikanischen Direktiven gebunden. Spezielle Ausbildungsprogramme für „Young-Leader“ bereiten den Nachwuchs auf ihre künftigen Aufgaben vor. 5

Der Historiker Stefan Scheil hat diese Prozesse in einer Forschungsarbeit detailliert beschrieben, so bereits einleitend:
„Die vor allen von den Vereinigten Staaten ausgehenden Maßnahmen zur Bildung einer völlig neuen, auf die intellektuelle wie wirtschaftliche Westbindung Deutschlands ausgerichtete Elite, verstanden die deutschen Hochschulen als wesentliches Instrument zur Prägung dieser neuen Eliten. Eine entscheidende Rolle wurde von Seiten der Besatzungsbehörden dabei der Etablierung neuer ideologischer Leitwissenschaften an den deutschen Universitäten zugewiesen, eine Rolle, die von der neu definierten Soziologie und besonders durch die neugeschaffene Politikwissenschaft und Zeitgeschichte übernommen werden sollte. Beide Fachkomplexe sollten nach diesen Vorstellungen einen Einfluss auf alle Studiengänge entwickeln, ganz besonders aber auf die Ausbildung von Schul- und Hochschullehrern. …
Daneben spielten internationale Korrespondenz- und Netzwerke eine Rolle, insbesondere auch durch Remigration von Forschern, die seit 1933 Deutschland verlassen hatten und dann während und nach dem Krieg an teilweise führender Stelle an der US-amerikanischen Machtentfaltung beteiligt waren, soweit dort die Dienste von Politik- und Sozialwissenschaftlern benötigt wurden.“
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Methode des Politikmachens

Die Herrschaft einer Elite muss gerechtfertigt und abgesichert werden. Da Herrschaft auch in einer Demokratie nun einmal angeblich nötig ist, hängt die Akzeptanz des Volkes davon ab, dass die Macht, um sie von Willkürherrschaft abzugrenzen, streng an gesellschaftliche Funktionen gebunden ist. Zentral dafür halten die Politikwissenschaftler die Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative, durch die sich die Macht selbst in Schach halten soll. Alle drei Teilgewalten erhalten ihre Legitimation dadurch, dass das Volk, der Souverän, von dem, wie es heißt, alle Gewalt verliehen wird, die Abgeordneten der Legislative wählt, diese die Regierung bestimmen, die wiederum die Judikative einsetzt, mit Ausnahme der Richter der höchsten Gerichte, die von der Legislative selbst ernannt werden.

Eine zentrale Stellung nehmen daher die Parlaments-Wahlen ein, die mit medialer Zeremonie als das große Demokratiefest gefeiert werden, und in denen eben die Politikwissenschaftler mit ihren das System stabilisierenden Kommentaren einen wesentlichen Bestandteil bilden. Im Mittelpunkt der Wahlzeremonie stehen aber nicht die Bürger als Souverän – sie haben als Kreuzchenmacher ihre Aufgabe bereits erfüllt -, sondern die Parteien, die quasi das Aufstellungsmonopol für die zu wählenden Abgeordneten besitzen und so die sich selbst fortpflanzenden Rekrutierungsvereine der herrschenden Eliten bilden. Es geht bei der Wahl für die Parteien um die Anteile am Kuchen der Macht, die der Souverän in dem ihm vorgegebenen Rahmen neu verteilt hat. Das wählende Volk muss unbedingt in der Illusion gehalten werden, es könne mit der Wahl Einfluss auf die Macht ausüben, damit es nicht merkt, dass es in Wahrheit nur immer aufs Neue seine Freiheit in der Wahlurne begräbt.

Dabei wird das Parteiensystem als gleichsam gottgegeben und unverzichtbar notwendig vorausgesetzt. Eine Hinterfragung, die ja einen wissenschaftlichen Anspruch bedeuten würde, findet nicht statt. Dadurch bleibt verborgen, dass die jeweils herrschenden und sowohl die Parlamentsmehrheit als auch die Regierung stellenden Parteien nicht nur die Legislative und die Exekutive, sondern auch die Judikative durchsetzen und so die hochgelobte Gewaltenteilung de facto aufheben. Die Parteien beherrschen alle drei Gewalten, bündeln sie in ihrer Hand und haben sich auf diese Weise den Staat zur Beute gemacht. Sie deformieren diese Art Demokratie vollends zu einer Parteien-Oligarchie, einer Herrschaft der Wenigen.7

Es wird so permanent verwischt, dass es sich auch in dieser Demokratie um ein Oben und Unten handelt, dass der „souveräne“ Bürger tatsächlich auch nur der Untertan einer herrschenden Elite ist, die ihm in den Wahlen bloß die Gelegenheit gibt, die von ihr selbst bestimmten Herrschafts-Kandidaten per Akklamation halt noch zu bestätigen. „Nicht der Wille des Volkes, sondern der Wille weniger, die vorgeben, das Volk zu vertreten, hat das Sagen. So rief ein holländischer Komiker einmal aus: ´Demokratie ist der Wille des Volkes. Jeden Morgen lese ich überrascht in der Zeitung, was ich will.` Wir haben in Wahrheit eine Oligarchie, in der ´die herrschenden Gesetze die Gesetze der Herrschenden` (B. Brecht) sind. Es herrscht in den Gesetzen vielfach nicht das von allen als gerecht empfundene Recht, sondern im Kostüm des Rechts herrschen die Interessen der Wenigen.“
Die Politikwissenschaft hat die Aufgabe, diese von der Parteienelite ausgeübte Staatsgewalt als anerkennungswürdig darzustellen und zwischen ihr und den Bürger-Untertanen zu vermitteln, d.h. diesen das Tun der Amtsträger als sinnvoll zu erläutern, an ihre Vernunft (Räson) und den Vorrang der angeblichen Interessen des Staates vor den Einzelinteresse, d.h. an die Staatsräson zu appellieren.

Der eigentliche Gegenstand der Politikwissenschaft“, beschreibt daher der marxistische Soziologe Peter Decker treffend, „ist der propagandistische Kommunikationsprozess zwischen Oben und Unten. Staatswissenschaft will sie ausdrücklich nicht mehr sein, weil dieses Wort ein unschönes Gegenüber von Staat und Gesellschaft nahe legen würde, statt des viel netteren Eindrucks des Miteinander beider, den diese erklärtermaßen demokratische, nämlich der Demokratie verpflichtete Weltanschauung erzeugt: Sie substituiert dem Staat einen neuen Gegenstand, den „Politischen Prozess“; d.h. sie konstruiert sich ein nicht mehr nach Herrschaft und Gehorsam, Oben und Unten sortierbares kommunikatives Gewurstel zwischen allen und jedem zurecht – und untersucht dann dieses ihr Konstrukt. …
Mit der Kategorie „politischer Prozess“ hat sich das Fach seinen Gegenstand aus seinem Standpunkt gezimmert. Das Bild einer möglicherweise gelingenden Harmonie von Staat und Bürger, Herrschaft und Beherrschten, bringt die unschöne Realität der öffentlichen Gewalt in eine Fassung, in der man hemmungslos für sie Partei ergreifen und sich den Problemen des Funktionierens dieser schönen Sache widmen kann. Alles, was dem politischen Wissenschaftler in den Sinn kommt und was er empirisch zusammenträgt, kann er sich als Bedingung oder Hindernis des Gelingens dieser Harmonie zurechtlegen, ohne sich einerseits eine zynische Parteinahme für die Macht und ihre Interessen vorwerfen lassen zu müssen, ohne andererseits in den Verdacht zu geraten, aus lauter Parteinahme für gute Herrschaft mehr zu fantasieren als zu forschen.“ 9

Um das System der Elitenherrschaft vor Umstürzen zu schützen, die durch neue Gruppierungen an den Rändern der etablierten „staatstragenden“ Parteien drohen könnten, werden Politologen zu „Extremismus-Forschern“. Bei Wahlerfolgen neuer Parteien, die grundsätzliche Gegenpositionen der herrschenden Politik beziehen, treten die Extremismus-Experten mit warnenden Analysen in der medialen Öffentlichkeit auf, um das System mit der „wissenschaftlichen“ Entlarvung seiner Feinde zu sichern und der schwindenden Gehorsamsbereitschaft weiter Bevölkerungskreise Einhalt zu gebieten.

Fazit

Halten wir fest: Politik als Feld unmittelbarer gesellschaftlicher Gestaltung kann nicht Gegenstand einer Wissenschaft, sondern nur sozialkünstlerischen Handelns sein. „Politikwissenschaft“ ist daher eine Täuschung, und als solche ist sie nach dem Zweiten Weltkrieg von der US-Besatzungsmacht auch bewusst an den deutschen Hochschulen etabliert worden. Sie hat die Aufgabe, im Mantel wissenschaftlicher Autorität das westliche demokratisch-oligarchische System einer Elitenherrschaft propagandistisch abzusichern und die in Schulen und Hochschulen herangebildete deutsche Elite an die anglo-amerikanische Elite und deren politische Ziele zu binden.

Dazu verschleiert sie das Herrschafts- und Untertanen-Verhältnis, indem sie es als ein harmonisches Miteinander von Staat und Bürgern in einem kommunikativen Prozess darstellt, der die Vernunft (Räson) der Bürger mit der Staatsräson in Einklang bringt. Die „Politikwissenschaftler“ betreiben also im Nebel des wissenschaftlichen Weihrauchs selbst Politik und zwar in raffiniert propagandistischer Weise.
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1   faz.net 23.10.2018
2   tagesschau.de 29.10.2018
3   diberlin.info
4   Hier genauer beschrieben: Ideologie schluckt Idealismus
5   Vgl. Herrschaftsmethoden des US-Imperialismus
Der Journalismus als Herrschaftsinstrument
6   Stefan Scheil: Transatlantische Wechselwirkungen, Berlin 2012, S. 27-28
7   Vgl. Das Verhängnis der politischen Parteien
8   Fassade Demokratie
9   Peter Decker: Die Politikwissenschaft

 

 

 

 

 

 

 

 

 

8 Kommentare zu „Von der Politik-Wissenschaft, die keine ist, und selbst Politik macht“

  1. Heute wird jedes Voodoo-Fach zur „Wissenschaft“ erklärt, um den Autoren ein Prädikat der Seriosität zu verleihen; dazu gehört der ganze moderne Sozial-, Gender-, Gleichstellungs-, und Integrations-Kram, für das sogar Ministerien erschaffen werden. Alles Anzeichen geistigen Zerfalls.

  2. Ich empfehle hier auch die Lektüre des Buches „Charakterwäsche “ von Caspar Schrenck-Notzing, in dem ausführlich erklärt wird, von wem und wie die Politikwissenschaften nach dem 2. WK in der BRD implantiert wurden.
    Alles von langer Hand geplant.

  3. Wahrheit und Lüge sind zwei Seiten einer Medaille, sie werden gerne vermischt.
    In der Natur gibt es nur Wirklichkeit.
    Wilhelm Kammeier: Die Fälschung der Deutschen Geschichte
    Politik ist eine Fortsetzung der ständig gefälschten Geschichte: Überall werden Wahlen gefälscht, auch bei uns. Die größten Hohlköpfe werden Minister und Kanzler und Verfassungsgerichtspräsident.
    Wo das enden wird, ist auch klar: im maximalen – erwünschten- Chaos.
    Dann werden die im Hintergrund Mächtigen die Allmächtigen: Götter.
    Vielleicht schlägt die Natur aber zurück und es gibt wieder Wirklichkeit unter den Menschen.

    Wie sagt darauf der Franke ? Allmächd ! (mit ‚d‘!)

  4. Alles, was zur Ideologie gemacht wird, hat nichts mehr mit Wissenschaft zu tun, wie die Klima-Kuhfurz-Plünderungsideologie.
    Politik ist bestenfalls Theater für die Deppen. Mit der Wissenschaft dazu verhält es sich auch nicht anders.

    „Ich hasse alle Pfuscherei wie die Sünde, besonders aber die Pfuscherei in Staatsangelegenheiten, woraus für Tausende und Millionen nichts als Unheil hervorgeht.“
    Johann Wolfgang von Goethe

  5. Ich habe allerdings nicht den Eindruck, dass die US-Bürger eine bessere Demokratie haben. Was mir auffällt: die Demokraten (US-Partei) halten ihre Politik für demokratisch – und keine andere. Die haben also ihren Parteinamen günstig gewählt. Die linken Parteien in Europa übernehmen deren Politik, oder zumindest die Parolen, incl. der Gleichsetzung mit Demokratie. Könnte es also sein, dass es weniger um USA vs. EU geht und mehr um Links vs. Rechts?

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