Handys in Kinderhand – „Erziehung“ zur Denkschwäche

Die Bilder häufen sich: Eine Familie am Nachbartisch im Restaurant unterhält sich, die 7-jährige Tochter und sogar der 3-jährige Benjamin sind mit eigenen Handys ruhiggestellt. Während des Gesprächs sieht man auch den Vater und den 18-jährigen Neffen zwischendurch ständig wie zwanghaft ihr Handy aus der Tasche ziehen und herunterscrollen. Auf dem Spielplatz im Park hängen die Schaukeln unberührt, denn die Kinder sitzen oder stehen herum und sind ganz in ihre Handys oder Tablets vergraben. – Mit diesen Phänomenen ist eine Fülle von schweren pädagogischen und sozialen Problemen verbunden, von denen nachfolgend nur einem näher nachgegangen werden soll.


Entwicklungspsychologen, wie die sehr einflussreiche britische Entwicklungs- und Kognitionswissenschaftlerin Prof. Annette Karmiloff-Smith, propagieren sogar, „Tablets sollten von Geburt an Teil der Welt eines Babys sein“, da es die motorischen Fähigkeiten von Kleinkindern verbessere, wenn sie auf einem digitalen Tablet blättern.1

Was für ein Unfug! Für die Beweglichkeit der kleinen Finger sind eine Rassel aus Holz oder ein kleines Wollpüppchen aus der unmittelbaren Primärerfahrung viel besser geeignet als die schnellen beweglichen Bilder einer für das Kind völlig undurchschaubaren sekundären technischen Parallelwelt. Es geht auch nicht nur um die Motorik der Finger, sondern um die des ganzen Körpers und aller seiner Organe. Und daran wird das kleine Kind durch die Bindung an die Faszination der fremden digitalen Bilder gerade gehindert, wobei es die Bilder als solche noch gar nicht richtig erfassen kann, da sich die volle Sehschärfe im Laufe der ersten sieben Jahre erst allmählich entwickelt.

Es ist nicht gleichgültig, was man dem kleinen Kind in die Hand gibt. Denn sämtliche Erfahrungen wirken formend auf seine noch bildbare Organisation bis in die Gehirnstruktur zurück. Die Hirnforschung weiß heute, dass die Anzahl der Verknüpfungen von Nervenzellen im frühkindlichen Gehirn und damit die spätere Denkfähigkeit davon abhängig ist, wie reich die wahrnehmenden, ertastenden und motorischen Erfahrungen in der primären, natürlichen Umgebung des Kindes sind.
Insbesondere geht es auch um die gesunde nachahmende Erfassung der Sprache von lebendigen menschlichen Wesen und nicht von ihren Bildern oder gar Comic-Figuren und der fremden technischen Imitation menschlicher Stimmen.

Also alles, was das kleine Kind aufnimmt und tut, wirkt prägend bis in die Organstrukturen hinein, weil es sich damit restlos identifiziert. Es ist mit seinem ganzen Wesen wie ein einziges Sinnesorgan der Umgebung geöffnet und nachahmend hingegeben. Alle Sinneseindrücke haben leib- und damit auch seelengestaltende Kraft – positiv wie negativ -, wogegen sich das Kind gar nicht wehren kann.2

Doch soll hier vor allem die Wirkung der Bilder als solche, unabhängig von ihrer Qualität, auf die Kinder betrachtet werden.

Entwicklung der Vorstellungskraft

Wenn der Mensch etwas in seiner Umgebung wahrnimmt, entsteht davon ganz von selbst ein Bild in seiner Seele, das sich in sein Gedächtnis einprägt, so dass er sich daran später wieder erinnern kann. So wächst beim Kind allmählich eine Fülle von Bildern in seinem Gedächtnis, ein Erfahrungsschatz, an den es sich als kleines Kind im Einzelnen noch nicht willentlich, aber mit der Schulreife dann bei Bedarf bewusst erinnern kann.

Nun kann aber der Lehrer nicht die ganze Welt, mit deren Geheimnissen er die Kinder bekannt machen soll, wahrnehmbar in das Klassenzimmer hereintragen, sondern er muss davon in vielfältiger Weise erzählen. Das bedeutet, dass sich die Kinder auf Grund der Erzählungen des Lehrers selber Bilder aus den Elementen ihres Erfahrungsschatzes aufbauen, in ihre Vorstellung bringen müssen, die sie mit ihrem Denken durchdringen, wobei sich die Art der gedanklichen Durchdringung mit zunehmendem Alter natürlich wandelt und erweitert.

Diese innere Vorstellungsbildung erfordert eine seelische Kraft, so wie auch das Heben des Armes einer körperlichen Kraft bedarf. Beide erhalten sich und wachsen nur in dem Maße, wie sie willentlich geübt werden. Geschieht dies nicht, erlahmen sie und bilden sich sogar zurück.
Aber natürlich gilt das nicht nur in der Schule, sondern im Leben überhaupt. Denn in jedem Gespräch ist man darauf angewiesen, sich Vorstellungen von dem bilden zu können, was der Andere sagt. Und auch wenn man etwas liest, muss man sich Vorstellungsbilder machen, um es mit der eigenen Seele zu verbinden.
Die innere Vorstellungskraft ist also grundlegend für alles Verstehen-, Lesen-, Lernen- und Denken-Können.

Wirkung von außen kommender Bilder

Sitzen Kinder nun viel vor dem Fernseher, sind mit dem Computer oder aktuell mit dem Handy Filme schauend oder surfend im Internet unterwegs, nehmen sie ständig Bilder von außen auf. Eine schier unaufhörliche Bilderflut dringt auf sie ein. Das bedeutet, sie brauchen sich insofern selber keine eigenen Bilder innerlich aufzubauen. Es werden ihnen bereits fertige Bilder geliefert. In eben dem Maße wird die innere Vorstellungs-bildende seelische Kraft aber nicht beansprucht. Das hat zur Folge: Bei den kleineren Kindern bildet sie sich erst gar nicht genügend aus, und bei den älteren erlahmt sie immer mehr und bildet sich zurück.

Ein erfahrener Lehrer kann diese Wirkungen bei seinen Schülern beobachten, insbesondere ihre unterschiedliche seelische Verfasstheit. Wenn er z.B. 20 Minuten lang eine Geschichte erzählt, bemerkt er, dass sich einige Schüler, wenn sie überhaupt anfangs eingetaucht sind, bereits nach 5 Minuten, andere spätestens nach 8, 10, 12 Minuten ausklinken. Sie können nicht mehr zuhören und fangen an, sich unter der Bank mit etwas anderem zu beschäftigen, mit dem Nachbarn zu flüstern usw. Die vorhandene innere Vorstellungskraft reicht nicht aus, ist nicht stark genug, um die von der Erzählung des Lehrers angeregten Vorstellungen noch länger aufzubauen.
Das ist auch bei einem Unterrichtsgespräch schon der Fall, dass immer weniger Schüler imstande sind, länger bei der Sache zu bleiben, so dass sie deren gedankliche Durchdringung überhaupt nicht mitmachen können.

Wenn die Muskelkraft der Arme zu wenig ausgebildet ist, fällt das Holzhacken schwer, es kostet viel Anstrengung, die man dann gerne meidet. So ist auch die Vorstellungsbildung für das Kind umso anstrengender, je weniger seelische Kraft dazu vorhanden ist. Es wird der Anstrengung unbewusst immer mehr ausweichen und nach fertigen Bildern suchen, die ihm die saure Mühe ersparen.
Die vielen fertigen Bilder haben seine Vorstellungskraft geschwächt, und weil seine Vorstellungskraft so schwach ist, sucht es nach fertigen Bildern – ein verhängnisvoller Kreislauf. So entsteht die Sucht nach den von außen kommenden Bildern im Fernseher, Computer und Handy, und es wächst eine damit verbundene seelische Abhängigkeit.

Die Folgen sind gravierender, als man sie sich zunächst vorstellt – wenn man sich denn Vorstellungen darüber bildet.
Es wächst ein großer Teil einer Generation heran, der an vorgefertigten, von außen kommenden Bildern hängt. Mangels eigener ausreichender Vorstellungs- und Denkkraft haben diese Menschen wenig Neigung, die Bilder und Begleittexte zu hinterfragen. D.h. sie übernehmen sie einfach und tauchen in ein fabriziertes Gruppenbewusstsein ein, anstatt durch eigene Vorstellungs- und Denkbemühungen selbst zu individuellen Erkenntnissen über die entsprechenden Sachverhalte zu kommen.
Das bedeutet, dass sie durch die politisch Herrschenden und deren mediale Propaganda-Lautsprecher leicht manipulierbar und lenkbar sind. Ein Zustand, der bereits beängstigende Ausmaße angenommen hat.

Konsequenzen

Es gibt nur die Lösung, dass die Eltern ihre Kinder so lange wie möglich von den digitalen Geräten mit ihrer Bilderflut fernhalten. In den ersten 7 Jahren müssen sie vollkommen tabu sein, in der Schulzeit bis zur Pubertät grundsätzlich ebenso, von besonderen Ausnahmen mit elterlicher Begleitung und nachfolgender Besprechung abgesehen.
Sollen die Kinder unterwegs ihre Eltern, und umgekehrt, unbedingt erreichen können, reicht ein Handy nur zum Telefonieren ohne Internetanschluss ja aus.
Dadurch wird ein Schutzraum geschaffen, in dem durch Erzählen und Vorlesen von altersgemäßen Geschichten wie Märchen, Legenden, Fabeln, Sagen und Rittergeschichten die innere Vorstellungskraft und auch die Gedächtniskräfte des Kindes angeregt, gebildet und immer weiter aufgebaut und gestärkt werden.

Sowie die Kinder lesen gelernt haben, müssen sie zusätzlich allmählich durch geeignete Lektüre zum eigenen Lesen angeregt werden. In der Regel lassen sie sich außerdem noch gerne weiter von den Eltern vorlesen. Unser Jüngster konnte eigentlich erst mit 10 Jahren so richtig fließend lesen und ließ sich bis dahin von den Eltern oder auch seinem älteren Bruder vorlesen. Dann suchte ich eine sehr tiefe Geschichte für ihn aus und las ihm den Anfang bis zu einer sehr spannenden Stelle vor. Da brach ich ab und sagte, nun müsse er alleine weiterlesen. Was er in der Erwartung, wie es weitergehe, eifrig tat und von da an wie sein Bruder eine richtige Leseratte wurde.

Der Weg ist heute nicht einfach, da die Kinder hinter den anderen nicht zurückstehen und mitreden wollen. Der Gruppendruck ist groß. Doch je mehr Eltern so handeln, desto leichter wird es für die mehr werdenden Kinder, die so erzogen werden. Es geht schließlich um die Zukunft unserer Kinder und der Gesellschaft, in der sie leben sollen. Nur so erhält die Jugend die Voraussetzungen, zu selbst denkenden und sich selbst bestimmenden freien Menschen heranzuwachsen, welche die Technik beherrschen und nicht von ihr beherrscht und zu unfreien lenkbaren Sklaven gemacht werden.

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1   https://uncutnews.ch/die-finstere-agenda-von-big-tech-die-kinder-an-die-technik-fesselt/
2   Siehe näher: https://fassadenkratzer.wordpress.com/2014/12/12/das-kind-vor-dem-bildschirm-auswirkungen-auf-seine-entwicklung/