„Arbeitsmarkt“ – der Mensch als Ware

Der Kapitalismus ist die Macht geworden, die noch einem Rest des Menschenwesens den Charakter der Ware aufdrückt: der Arbeitskraft.“  (Rudolf Steiner)

Das Wort „Arbeitsmarkt“ gehört heute im öffentlichen Leben ganz selbstverständlich zum gängigen Vokabular, das keinerlei Anstoß mehr erregt und über das kaum jemand nachdenkt. Es bedeutet aber nichts weniger als die menschliche Ungeheuerlichkeit, dass Einkommen suchende Menschen ihre Arbeitskraft auf dem (virtuellen) Markt zum Verkauf gegen eine „Entlohnung“ anbieten müssen. Verkaufen bedeutet, dass der Käufer die erworbene „Ware“ nach seinen Vorstellungen verwenden kann.

In der „Marktwirtschaft“, gegen die hier nichts gesagt werden soll, findet auf dem Markt der freie Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen Produzenten, Händlern und Konsumenten statt. Waren sind durch Naturbearbeitung oder Pflege erzeugte Güter, die in den Handel gelangen, und Dienstleistungen werden von selbstständigen Spezialisten wie beispielsweise Rechtsanwälten oder Steuerberatern angeboten, um für andere Probleme zu lösen oder Aufgaben durchzuführen.

Die Arbeitsleistung eines Menschen ist in diesem Sinne keine Dienstleistung. Sie wird innerhalb eines Unternehmens zur Warenproduktion oder innerhalb eines Dienstleistungs-Betriebes in einem Arbeitsverhältnis erbracht. Erst recht ist sie natürlich keine Ware. Es ist daher pervers, wenn menschliche Arbeitskraft auf einem „Markt“ zum „Verkauf“ angeboten werden muss.

Der Mensch kann seine Arbeitskraft zudem nicht von sich loslösen, verkaufen und selbst zu Hause bleiben. Sie ist ja ein Teil von ihm, ein Ausdruck seiner Fähigkeiten, seiner Gefühle und seiner Willenskraft. Muss er seine Arbeitskraft verkaufen, muss er sich selber insoweit mitverkaufen – zu den Bedingungen und zu dem Preis, die am Markt herrschen. Ihr Preis ist das „Arbeitsentgelt“, also Lohn oder Gehalt. Nach den Marktgesetzen ist der Preis umso niedriger, je mehr das Angebot an Arbeitsleistungen die Nachfrage übersteigt. Dies ist in der immer weiter fortschreitenden Automatisierung die Regel und wird sich, bis auf wenige Ausnahmen, im derzeitigen Wirtschaftssystem nicht ändern, sondern weiter zunehmen.

Ausbeutung

Das übergroße Angebot an „Arbeitskräften“ hat gegenüber der prinzipiell weiter abnehmenden Nachfrage zu einer ungeheuren Ausbeutung der „Arbeitnehmer“, die eigentlich „Arbeit-geber“ heißen müssten, geführt. Das sind rund neunzig Prozent der Erwerbstätigen. Aus Sorge um den notwendigen Lebensunterhalt für sich und ihre Familien sind sie gezwungen, sich als Ware behandeln zu lassen und sich mit ihrer Arbeitskraft zu immer unwürdigeren Bedingungen und Löhnen zum Verkauf anzubieten. In ihrer Not müssen sie vielfach eine Arbeit akzeptieren, die sie moralisch eigentlich ablehnen, sei es z. B. in der Produktion von Umweltgiften, in der chemischen Industrie oder in der Waffenproduktion.

Immer mehr Menschen müssen sich mit einem „Preis“, also einem Arbeitsentgelt begnügen, das nahe an oder unterhalb der Armutsgrenze liegt und vielen trotz einer Vollzeitarbeit zum Lebensunterhalt nicht ausreicht, so dass sie entweder nachts noch weitere Arbeit annehmen, oder zusätzliche staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen müssen. Dieser sogenannte Niedrig- oder Billiglohnsektor, zu dem besonders noch die Perversität der „Leiharbeitsfirmen“ beiträgt, betrifft in Deutschland bereits 20 – 25 % der abhängig Beschäftigten. Weiter verschärft wird ihre Lebensunsicherheit durch die immer mehr zunehmenden befristeten Arbeitsverträge. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsbildung (IAB) aus dem vergangenen Jahr ergab (laut „Spiegel-online“ vom 8.9.13), „dass der Anteil befristeter Neueinstellungen zwischen 2001 und 2011 von 32 auf 45 Prozent stieg.“ Über viele Jahre müssen sich die Berufseinsteiger dann von einem Zeitvertrag zum nächsten hangeln.

Es ist grotesk: Das Wirtschaftsleben ist dazu da, der menschenwürdigen irdischen Existenzsicherung zu dienen. Die große Masse der im Wirtschaftsleben Tätigen erhält aber von denen, für die sie arbeiten müssen, ein Arbeitsentgelt gerade nicht mit diesem Ziele, sondern systematisch so wenig wie möglich, so dass viele sogar unter oder am Existenzminimum leben und noch darum kämpfen müssen.

Der moderne „Arbeitsmarkt“ ist der Nachfolger des früheren Sklavenmarktes, auf dem entrechtete Menschen wie Tiere verkauft und gekauft wurden. Der Arbeitssklave der Gegenwart wird zwar nicht in seiner ganzen Persönlichkeit als rechtlose Ware betrachtet, aber insoweit er sich mit seiner Arbeitskraft zu weitgehend diktierten Bedingungen verkaufen muss, befindet er sich in einer sklavengleichen Lage.

Das ist tiefste Verletzung der Menschenwürde, die nach Art. 1 des Grundgesetzes zu achten und zu schützen Aufgabe aller staatlichen Gewalt ist. Die Organe des Staates schützen die Menschenwürde aber nicht, sondern ermöglichen im Gegenteil gerade durch entsprechende Gesetze deren permanente Verletzung. Denn die Kapitaleigner, in deren Dienst und Abhängigkeit die Politiker heute vielfach stehen, brauchen ihres Profites wegen ein Heer von ausbeutbaren Arbeitssklaven.

Das Problem des heutigen Eigentumsrechts

Die Wurzel des Problems liegt im Privateigentum an Produktionsmitteln und Kapital, dem daraus abgeleiteten Eigentumsanspruch an den produzierten Gütern und dem Gewinn aus ihrem Verkauf. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ein Unternehmer braucht die Verfügungsbefugnis über die Produktionsmittel und das Kapital der Firma, um diese nach seinen Fähigkeiten leiten und weiterentwickeln zu können. Aber es ist ein großer Unterschied zwischen dem Eigentum an einem privaten Wohnhaus, Auto oder Mantel und dem Eigentum an einem Wirtschaftsunternehmen. Das Privateigentum dient dem persönlichen Verbrauch, und die unbegrenzte Verfügungsbefugnis ist hier berechtigt. Ein Wirtschaftsbetrieb dient aber nicht dem privaten Verbrauch des Unternehmers, sondern gemeinsam mit notwendigen Mitarbeitern der Bedürfnisbefriedigung vieler anderer Menschen. Es hat also eine soziale Aufgabe, und die Verfügung über Kapital und Gewinn oder gar der Verkauf des ganzen Unternehmens hat enorme soziale Auswirkungen für andere Menschen, für die Mitarbeiter und zumeist auch die Konsumenten.

Das macht notwendig, dass für das mit solchen sozialen Auswirkungen verbundene Eigentum eine besondere Eigentumsform gebildet werden muss, die das Verfügungsrecht des Eigentümers auf die sozial verantwortliche Führung des Unternehmens selbst begrenzt, gleichsam ein soziales Verantwortungseigentum, das einen treuhänderischen Charakter trägt.

Dies schließt den Verkauf eines Unternehmens zum privaten Nutzen aus, wodurch ja die „Arbeitnehmer“ sozusagen mitverkauft und mit ihren Angehörigen oft einem ungewissen Schicksal ausgeliefert werden. Und es schließt aus, dass der nach Abzug von Investitionsrücklagen erzielte Gewinn allein in die Taschen des/der Eigentümer(s) fließt. Der Gewinn kann ja niemals vom Unternehmer allein erwirtschaftet werden, sondern nur von allen Mitarbeitenden gemeinsam. Diese sind für Funktion und Erfolg des Unternehmens genauso notwendig wie der Unternehmer selbst. Über den Gewinn darf dieser daher auch nicht alleine verfügen.

Die gleichberechtigte Stellung des Mitarbeiters

Das bedeutet, dass die „Arbeitnehmer“ nicht als abhängige Untergebene, als unfreie Arbeitssklaven, sondern als freie Mitarbeiter behandelt werden müssen, die sich mit einem Unternehmensleiter zusammentun, um die unterschiedlichen Fähigkeiten jedes Einzelnen, die alle benötigt werden, zu einem gemeinsamen Unternehmen zusammenfließen zu lassen.  Die Einkommen der Mitarbeiter, die sie für sich und ihre Angehörige brauchen, um Konsumgüter zum Lebensunterhalt zu kaufen, dürfen daher betriebswirtschaftlich nicht als „Personal-Kosten“, als lästige Unkosten behandelt werden, die so gering wie möglich zu halten seien.

Der Zweck der Wirtschaftsunternehmen insgesamt ist es, für die leibliche Existenz der Menschen zu sorgen, über das Einkommen auch für die eigenen Mitarbeiter. Im Anspruch darauf sind alle Mitarbeiter im Unternehmen gleichberechtigt. Daher kann der Unternehmer nicht den Reingewinn, der aus der Leistung aller hervorgegangen ist, als Einkommen für sich allein beanspruchen. Aus dem Gewinn müssen eben auch die Einkommen der Mitarbeiter entsprechend ihrem Anteil entnommen werden. Auch der leitende Unternehmer kann nur ein Einkommen beziehen, das dem Anteil seiner produktiven Leistung entspricht und den er für seinen privaten Konsum benötigt.

Das kann natürlich nicht bedeuten, dass die sinnvolle Trennung von Arbeitsleitung und Arbeitsleistung aufgehoben wird und alle Mitarbeiter überall mitbestimmen. Die in der Sache notwendig Arbeitsteilung führt zu einem aufeinander abgestimmten Gefüge von Arbeitsbereichen, in den die jeweils fachkundig Tätigen dort aber auch die Verantwortung tragen, d. h. nicht nur Befehlsempfänger sind, sondern sich aus ihrer Fachkenntnis und dem Einblick in den Gesamtzusammenhang mit ihrer Arbeit in das Ganze einfügen. Aus wenig oder unmotivierten abhängigen „Arbeitnehmern“ werden engagierte Mitarbeiter, die sich mit ihrer Aufgabe und dem gemeinsamen Betrieb identifizieren.

Dies alles muss in der Betriebsverfassung und in den Mitarbeiterverträgen rechtlich festgelegt werden. Und der Rechtsstaat, der die Würde des Menschen zu schützen hat, muss dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen setzen. So wird der Mitarbeiter materiell und menschlich in eine Arbeitsgemeinschaft integriert und mit seiner Arbeitsstätte sowie dem Gesamtbetrieb verbunden. Dadurch wird der heutige unsinnige Gegensatz von „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ endlich aufgehoben, und die Gewerkschaften würden überflüssig werden.

Das Merkwürdige ist ja, dass die Gewerkschaften an dieser im herkömmlichen Eigentum an den Produktionsmitteln begründeten zerstörerischen Polarität schon lange nicht mehr rütteln. Weil die Gewerkschaftsführer dann ihren hochdotierten Job verlieren?  (hl)

Vertiefungen des Themas in:
Kapitalmacht und Lohnsklaverei – Das Versagen des Rechts
Die Okkupation des Gewinns durch das Kapital
Die ungebändigte Macht des Kapitals
Die kalte Macht des Kapitals steigt aus dem Eigentumsrecht auf

Literatur:

Folkert Wilken: Die Entmachtung des Kapitals durch neue Eigentumsformen, Freiburg 1959

Rudolf Steiner: Die Kernpunkte der sozialen Frage, Dornach 1961

14 Kommentare zu „„Arbeitsmarkt“ – der Mensch als Ware“

  1. Genau wie beim Artikel zu Aktien handelt es sich hierbei um eine ambilavente, in sich widersprüchliche Darstellung der Kategorie „verkürzte Kapitalismuskritik“. Immerhin gibt der Autor das offen zu – Zitat:
    „In der „Marktwirtschaft“, gegen die hier nichts gesagt werden soll, …“
    …da frag ich mich – warum nicht? Wo liegt das Problem, etwas stimmig zu Ende zu denken?

    Die Analyse im Artikels hat einen ganz großen Mangel – er lässt bewusst die universelle Konkurrenz auf dem Markt (eines der ökon. Grundgesetze des Kapitalismus) unberücksichtigt.
    Wer Marktwirtschaft fordert oder sich argumentativ positiv auf sie bezieht, akzeptiert aber eine derartige Konkurrenz oder findet sie sogar positiv.
    Am Beispiel von Einzelmärkten (wie dem Arbeitsmarkt) wird es natürlich deutlich sichtbar, mit welchen Widersprüchen und Problemen die Marktwirtschaft behaftet ist. Der Kritik stimme ich deshalb völlig zu. Diese Widersprüche gehören aber zur Marktwirtschaft als System dazu!!!
    Deshalb reicht eine Kritik einzelner Teile nicht, sondern nur eine Kritik, mit der man das große Ganze in den Blickpunkt bekommt. Nur das bringt uns in Bezug auf eine echte Lösung und Alternative weiter.
    Ich kann mir gut vorstellen, dass dahinter wieder eine Sichtweise steht, die da lautet „Kapitalismus und Marktwirtschaft sind nicht das gleiche.“. Richtig geraten?
    Macht das praktisch einen Unterscheid? Und stimmt das überhaupt? Schauen wir genauer hin:

    Kapitalismus (1. Bedeutung): …eine Gesellschaft und Wirtschaft, die auf Geld als zentrales und einziges Funktionsmittel basiert – heißt vereinfacht aus Geld mehr Geld machen
    Kapitalismus (2. Bedeutung): …bezeichnet eine Gesellschaftsformation z.B. in Abgrenzung zum Feudalismus
    Kapitalismus (3. Bedeutung): …eine politische Legitimationsform innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft z.B. in Abgrenzung zu Sozialismus
    Marktwirtschaft: …ein sozialer Mechanismus, der auf dem Austausch von Waren basiert

    Aber wie macht die Marktwirtschaft das? Natürlich durch den Einsatz und die Steuerung über Geld. Mit welchem Ziel? Das lässt sich an dem Kriterium ablesen, welches überall über die betriebswirtschaftliche Abrechnung zur Anwendung kommt. Die dient dazu Gewinn auszurechnen.
    Das Ziel ist also nicht etwa die Bedürfnisbefriedigung, sondern umgekehrt dienen die Bedürfnisse dem Zweck der Gewinnerzielung. Darin liegt die wichtigste Erkenntnis überhaupt!!! Wenn man das nicht erkennt, wird auch der Rest einer Argumentation nicht stimmen, sondern man verstrickt sich irgendwann in Widersprüche (siehe Beispiel Arbeitsmarkt im Ausgangsartikel oben). Oder man nur Einzelelementen die Schuld zu (z.B. dem Zins oder dem Verhalten der Kapitalisten und Marktteilnehmer, Managementfehlern, Politikerkorruption o.ä.).

    Beide Begriffe Marktwirtschaft und Kapitalismus beziehen sich auf die gleiche sozio-ökonomische Gesellschaftsform. Alle Bestandteile innerhalb der marktwirtschaftlichen Prozesse werden automatisch zu Kapital (Sachmittel werden zu Sachkapital, Produkte zu Warenkapital, Arbeitskräfte zu Kontingenten an bezahlten Arbeitsstunden usw.).
    Eine „nichtkapitalistische Marktwirtschaft“ kann es also de facto nicht geben!!!
    Vollständig richtig kann eine Kritik daher nur werden, wenn sie die abstrakte Inwertsetzung thematisiert. Die wird hier aber leider schon unterschwellig als gegeben und nicht diskutierbar und in sich widerspruchsfrei vorausgesetzt. Dabei zeigt das gewählte Beispiel Arbeitsmarkt eigentlich, dass dem nicht so ist.
    Stattdessen kommt das altbekannte sozialistische Muster, die Eigentumsfrage primär zu stellen und gerechtere Löhne für alle zu fordern. Dabei fällt unter den Tisch, dass diese Vorstellung spätestens seit 25 Jahren (mit dem Ende des Realsozialismus) nicht mehr greift. Man kann nicht dauerhaft und prosperierend in einem Teil der Welt sozial gerechtere Verteilungsformen auf Geld und Ware basierend gegen die freie Konkurrenz des Weltmarktes stellen, denn wenn in das sozialistische Gebiet billigere Warenströme von außen kommen, weil der Kapitalist keine Rücksicht auf die Menschen als Arbeitskräfte nehmen muss, können die „fairen Waren“ nicht konkurrenzfähig im Preis dagegen bestehen. Hinzu kommt, dass die Dynamik freier Märkte besser zu den Kategorien Ware/Geld/Arbeit passt, als der staatsorientierte Sozialismus oder ähnlich Konstrukte wie Freiwirtschaft, Gemeinwohlökonomie, solidarische Ökonomie, partizipative Ökonomie (Parecon) usw.
    Da mag man drüber lamentieren und wehklagen – an diesem Fakt kommt man leider nicht vorbei. Sozialismus ist (heute) keine Alternative mehr.

    Buch-Tipp dazu: „Der Kollaps der Modernisierung“ (Robert Kurz), wo das Scheitern des Realsozialismus analysiert und ins Weltkapital eingegliedert wird.

  2. Sie übersehen, was in einem kurzen Artikel, der eine bestimmte Länge nicht überschreiten soll, leistbar ist. Der Satz „In der Marktwirtschaft, gegen die hier nichts gesagt werden soll …“ ist offenbar etwas missverständlich. Die Betonung liegt auf „hier“. Man kann sich in einem Artikel nur auf einen Aspekt der Sache einlassen. Alles, was Sie schreiben, bedürfte ja einer langen Auseinandersetzung. Es genügt mir hier zunächst völlig, und es freut mich, dass Sie meiner Kritik zu dem Aspekt „Arbeitsmarkt“ völlig zustimmen.

  3. Für mich ist nicht einsichtig, warum man seine Arbeitskraft für Geld tauschen soll. Wer hat das so festgelegt? Waren und Dienstleistungen können zusätzlich nur durch Arbeit entstehen, durch menschliche, tierische oder durch menschengeschaffene Maschinen. Wenn dem so ist, kann die Entlohnung dieser Wertschöpfung also aus meiner Sicht nur dort geschehen, wo sie entsteht. Durch und bei der Arbeit. Soll heissen, wenn ich einen Besen in die Hand nehme und die Strasse fege, produziere ich einen Wert und dadurch auch meine eigene Entlohnung also Geld, z. B. 10 Euro/Std. Geld als Entlohnung für Arbeit, um ein Tauschmittel für andere Waren und Dienstleistungen zu bekommen, kann für mich also nur beim Arbeiten(r) entstehen. Nicht der Fabrikbesitzer entlohnt damit die Arbeitskräfte, die Arbeitskräfte entlohnen sich selbst. Und gleich bekommt die Arbeit einen neuen, für mich richtigen Stellenwert. Die Arbeit wird frei vom leistungslosen Geld, dem Kapital, wie wir es heute kennen.

  4. Sie sind den richtigen Gedanken auf der Spur und beschreiben die Sache ungefähr so, wie sie eigentlich gesehen werden sollte:
    Zwischen dem Unternehmer und dem Arbeiter müsste ein Vertragsverhältnis auf gleicher Augenhöhe bestehen, um durch gemeinsame Arbeit Waren oder Dienstleistungen zu produzieren, aus deren Erlös eine je anteilige Entlohnung für alle – Arbeitsleiter (Unternehmer) und Mitarbeiter – zu entnehmen ist. Das heißt, es würde nicht, losgelöst von den Waren, abstrakt die Arbeitskraft bezahlt, sondern die Entlohnung erfolgte aus dem Verkauf der Waren, an deren Wertbildung jeder mit seiner Arbeit beteiligt ist. Das ist ein großer Unterschied.

    Die Realität heute ist aber eine andere: Der Unternehmer beansprucht als Eigentümer des Betriebes, also der Produktionsmittel (des Kapitals), nicht nur die aus dem Privateigentumsrecht stammende unbeschränkte Verfügungsgewalt über den Produktionsprozess, sondern auch über den Gewinn, der nach Abzug aller Kosten und Rücklagen übrig bleibt. Er bestimmt, welche Arbeiten an welcher Stelle wie auszuführen sind, also wo und wie die „Arbeitnehmer“ ihre Arbeitskraft für ihn einzusetzen haben. Er bezahlt ihre Arbeitskraft nach der zeitlichen Dauer ihres Einsatzes und betrachtet in seinem Streben nach möglichst hohem Gewinn deren Entlohnung als Kosten („Unkosten“), die seines Gewinnes wegen so niedrig wie möglich zu halten sind. Er beutet den Arbeiter für seinen eigenen Gewinn aus. Der Unternehmer hat also in dem Vertragsverhältnis von vorneherein ein Übergewicht, er sitzt am längeren Hebel. Die „Arbeitnehmer“ sind von ihm abhängig, weshalb man ja auch generell von den Arbeitnehmern als den „Abhängig-Beschäftigten“ spricht.

    Das bedeutet, dass der Abhängig-Beschäftigte kein Anteilsrecht an der von ihm mitproduzierten Ware geltend machen darf, sondern allein seine Arbeitskraft gegen eine Entlohnung anbieten, sie also wie eine Ware verkaufen muss. Weil aber die Arbeitskraft ein Teil seines Menschenwesens ist und sie nicht von sich ablösen kann, muss er sich in gewisser Weise mitverkaufen. Die Arbeitskraft und damit der Mensch selbst werden so zur wirtschaftlichen Ware. Daher ist es insofern konsequent, dass er sie/sich auf einem „Arbeitsmarkt“ anbieten muss, wo er nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage wegen des wirtschaftlichen Übergewichtes der Unternehmer meist im Nachteil ist. Das ist das soziale Kernproblem.

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