Der Mensch als Maß der Gesellschaft

„Demokratie ist der Wille des Volkes. Jeden Morgen lese ich überrascht in der Zeitung, was ich will“, bemerkte ein holländischer Komiker. Diese alltägliche Komik bemerken offenbar nur noch die Komiker. Die Berufs-Demokraten, die einschlägigen Wissenschaftler und die Medien-Abhängigen bleiben an der Oberfläche der unaufhörlich eingravierten demokratischen Phrasen kleben, die glauben machen sollen, eine vormundschaftliche Herrschaft bestehe nicht, wenn man den Vormund selber wählen kann. Aber die Komik der Diskrepanz zwischen geträumter Freiheit und tatsächlichem Beherrscht-werden ist ja längst zur furchtbaren Tragik von „demokratischen“ Untertanen geworden, die – nach wie vor in hierarchischen Machtstrukturen gefangen – für die Interessen von Plutokraten ausgebeutet und für tödliche Herrschaftsziele von Macht-Egomanen instrumentalisiert werden.

Auch die „demokratisch“ angestrichene Herrschaftsform bleibt eine Herrschaft. Sie ist eine Sackgasse, die in der weiteren Selbstzerstörung endet, aus der man umkehren und ganz neue Wege finden muss. Dies erfordert aber auch ein völlig neues Denken. Die ungeheuren Probleme, die heute entstanden sind und weiter entstehen, können nicht durch dasselbe Denken gelöst werden, das sie hervorgebracht hat, wie schon Einstein bemerkte. Wir müssen eine radikale Denk-Wende vollziehen, die sich zunächst auf das Wesen des Menschen selbst richtet, dem alle gesellschaftlichen Formen ja letztlich dienen sollen, um von da aus nach gesellschaftlichen Formen zu suchen, in denen sich sein Wesen am besten entfalten kann.

Der soziale Mensch

Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen und sucht die Begegnung mit anderen Menschen. Aber er ist kein einfaches, sondern ein dreigliedriges Wesen, das aus Leib, Seele und Geist besteht. Eine Seele hat auch das Tier. Aber der Mensch ragt durch seinen Geist, sein Ich, über ein rein instinktiv getriebenes leiblich-seelisches Wesen hinaus. Und er wirkt verändernd auf dieses zurück, indem er es durch das Denken immer mehr beherrschen und den Zielen seines Geistes dienstbar machen kann.

Indem der Mensch mit anderen Menschen in Beziehung tritt, erweitert er das Leben über seinen individuellen Organismus hinaus in ein soziales Beziehungsgefüge, gleichsam in einen sozialen Organismus. Dieser wird ihm in dem Maße optimale Entfaltungsmöglichkeiten bieten, in dem er nach den Bedingungen des menschlichen Organismus gestaltet ist, in dem die Glieder des individuellen Organismus sozusagen in den Gliedern des sozialen Organismus ihre nach außen projizierte Fortsetzung finden. Kommt der dreigliedrige Mensch mit anderen in Verbindung, knüpft er Beziehungen, die also von ganz unterschiedlicher Natur sind, je nachdem sie aus den leiblichen, seelischen oder geistigen Intentionen seines Wesens hervorgehen.

1. Geist und Seele leben in einem Leib, der sie an ein vergängliches, Mängeln unterworfenes Dasein bindet. Der Leib macht zur Erhaltung seiner Existenz unaufhörlich die verschiedensten Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Wohnung, medizinischer Versorgung usw. geltend. Und auch in Seele und Geist entstehen spezifische Bedürfnisse nach Erkenntnis, Information, Bildung usw. Durch seinen Leib tritt der Mensch als Bedürfniswesen mit anderen Menschen in Beziehung, woraus sich das Wirtschaftsleben gestaltet.

Die Bedürfnisse der Menschen sind sehr verschieden voneinander. So wie die Brüder (Geschwister) einer Familie durch ihr jeweiliges Alter, ihre Veranlagungen, Interessen und Ausbildungen ganz Unterschiedliches benötigen, so auch die Menschen in der Gesellschaft. Und wie in einer Familie die Bedürfnisse nur in dem Maße befriedigt werden können, als ihre Lebensbedingungen es ermöglichen, und die Mittel daher brüderlich, im Verständnis für die jeweiligen Bedürfnisse verteilt werden müssen, so müssen folglich auch in der Gesellschaft die unterschiedlichen Bedürfnisse nach den vorhandenen Möglichkeiten im Geiste der Brüderlichkeit befriedigt werden (s. auch Wo sind Freiheit, Gleichheit).

2. Die Seele lebt vermittelnd zwischen Geist und Leib. Sie wird in ihren Erlebnissen und Inhalten auf der einen Seite durch den Leib und die Einflüsse der physischen Welt und auf der anderen Seite von den Gesetzen des Geistes bestimmt, die der Mensch mit seinem Denken erfasst. Beide miteinander in Übereinstimmung zu bringen, d. h. die Intentionen des Geistes seinem Leibe und der physischen Welt einzuprägen, diese nach den Gesetzen des Geistes zu gestalten, ist seine unaufhörliche Aufgabe.

Dazu entwickelt der Mensch in seiner Seele vielfältige Fähigkeiten, um einmal aus der Region des Geistes Begriffe, Ideen und Bilder für Wissenschaft, Religion, Kunst und Technik zu holen, zum anderen die physische Welt in der verschiedensten Weise danach umzuformen. Durch seine Seele tritt der Mensch so als Fähigkeitswesen mit anderen in Beziehung, woraus sich das Geistes- oder Kulturleben entwickelt.

Der seelische Vorgang der Erkenntnis strebt nach der Wahrheit, d. h. nach der Übereinstimmung des im Denken Erfassten mit der Wirklichkeit. Und sein Handeln, das der selbst erfassten Idee und den eigenen Kenntnissen und Fertigkeiten folgt, strebt nach dem fachlich richtigen und ethisch begründeten Tun. Dazu kommt der Mensch nur wirklich dann, wenn er sich weder von den Nötigungen seiner leiblichen Natur, noch von dogmatischen Gesetzen und Geboten seines Verstandes bestimmen lässt, sondern sich davon unabhängig macht und in innerer Freiheit selbst erkennt. Zu wirklicher eigener Erkenntnis kommt man nur in innerer Freiheit, und das daraus hervorgehende Handeln bedarf der äußeren Freiheit von allen Abhängigkeiten und Vorschriften (s. ausführlich: Die verkannte Freiheit).

3. In Leib und Seele sind die Menschen verschieden. Sie haben unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten. Denn jeder steht an einem anderen Entwicklungspunkt, an dem er ganz spezifische Anforderungen vorfindet und dafür spezifische Fähigkeiten entwickelt. Aber die Spezialisierung jedes Einzelnen wird durch die vielfältigen Spezialisierungen der Anderen ergänzt. So entsteht in der Summe eine Mannigfaltigkeit unter den Menschen, die der Einzelne nicht hervorbringen könnte. Alle seelische Mannigfaltigkeit hat jedoch im Geist des Menschen ihr Zentrum. In ihm ist alle Mannigfaltigkeit der Möglichkeit nach enthalten, sonst könnte es die Vielfalt nicht geben.

Damit die spezialisierten Fähigkeiten der Anderen auch dem Einzelnen zugutekommen, strebt der Geist nach Gemeinschaft mit ihnen. Die auf getrennten Wegen erworbenen Früchte Verschiedener können so im Brennpunkt jedes einzelnen Geistes zusammenströmen, so dass ihm von außen entgegenkommt, was ihm als Möglichkeit schon innewohnt. Der Austausch der Leistungen und ihrer Früchte oder auch die gemeinsame Pflege der Fähigkeiten findet in vielfältigen Gemeinschaften statt und werden durch wechselseitige Vereinbarungen, also durch das Recht geregelt.1 Schon ein zweiseitiger Kaufvertrag bindet zwei Menschen zu einer kleinen temporären Gemeinschaft zusammen. Wirtschaftsbetriebe z. B. sind Rechtsgemeinschaften, in denen verschiedenste Fähigkeiten zusammenkommen, um ein bestimmtes Produkt hervorzubringen. Schulen sind Rechtsgemeinschaften, in denen sich Lehrer mit ihren Fähigkeiten zusammentun, um an den Fähigkeiten der heranwachsenden Generation zu bilden. Die größte Rechtsgemeinschaft ist der Staat, in dem die Regeln des Rechts selbst ihr Zentrum haben. Durch seinen Geist tritt also der Mensch als Gemeinschaftswesen mit anderen in Beziehung, woraus sich das Rechtsleben entwickelt.

Indem die Menschen nach Leib und Seele verschieden sind und unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten entwickeln, wird der eine dem anderen in dieser oder jener Beziehung überlegen, und es besteht die Möglichkeit, dass er ihn unterdrückt und von sich abhängig macht. Dann würde der Unterdrückte aber nur als Leib oder Seele behandelt, also nur insofern, als er verschieden, d. h. hier unterlegen ist, nicht aber als ganzer Mensch geachtet, der auch ein Geist ist. Als Geist aber sind alle gleich. Der Volksmund sagt: Im Tode sind alle gleich – eben weil da alle nur Geist werden. Der Würde des menschlichen Geistes wird man nur gerecht, wenn man rechtlich jeden Menschen gleich behandelt. Dort wo Gemeinschaft vereinbart wird, kommt es in Bezug auf das sie gestaltende Recht nicht darauf an, welche Bedürfnisse oder Fähigkeiten ein Mensch hat, also was für ein Mensch er ist, sondern dass er ein Mensch, d. h. ein Geist ist. Es muss durch die Gleichbehandlung ausgeschlossen werden, dass einer, der einem anderen leiblich oder seelisch überlegen ist, ihn rechtlich übervorteilen kann. Denn Gegenseitigkeit ist der Inhalt der Gerechtigkeit.

Der soziale Organismus

Wir sehen: Die Begegnung des dreigliedrigen Menschen mit den anderen führt zu einer entsprechenden Gliederung der Gesellschaft. Aus den Bedürfnissen des Leibes entsteht das Wirtschaftsleben, aus der Fähigkeits-Entfaltung der Seele bildet sich das geistig-kulturelle Leben, und im Streben des Geistes nach Gemeinschaft entfaltet sich das staatlich-rechtliche Leben. Und in jedem Lebensbereich stellen die Glieder des Menschen je eigene Entfaltungsbedingungen: Der Leib bedarf im Wirtschaftsleben der Brüderlichkeit, die Seele im geistig-kulturellen Leben der Freiheit und der Geist im rechtlichen Gemeinschaftsleben der Gleichheit.

Dies erfordert, dass sich jeder Gesellschaftsbereich ungehindert seinen eigenen Lebensbedingungen gemäß entfalten kann. Keiner darf von einem anderen irgendwie beherrscht werden. So wie der Leib nicht die Aufgaben des Geistes und der Geist nicht diejenigen der Seele übernehmen könnte, ohne dass der Organismus in die Chaotisierung geriete, so kann auch nicht die Wirtschaft das staatlich rechtliche Leben bestimmen, ohne dass die Gleichheit beseitigt wird, und so kann nicht der Staat das geistig kulturelle Leben organisieren, ohne dass die Freiheit von der Gleichheit eingeebnet wird. Jeder Bereich braucht seine eigene Verwaltung, die aus den je eigenen Lebensbedingungen erfolgt und diese zur Geltung bringt. Dann können alle zusammenwirken und dadurch einen harmonischen sozialen Organismus gestalten, in dem ein Bereich durch seine Existenz die anderen ermöglicht und stützt. Ein harmonisches Zusammenwirken und wechselseitiges Befruchten der drei Gesellschaftsglieder kann nicht zustande kommen, wenn sie sich ihrem inneren Wesen gemäß gar nicht entwickeln können.

Diese organische Gliederung der Gesellschaft ist keine räumlich abgegrenzte, sondern eine funktionale. Jeder Bereich hat jeweils seinen Schwerpunkt und sein Zentrum, durchdringt aber auch die beiden anderen. Das kann nicht anders sein, weil überall der dreigliedrige Mensch mit dreifach unterschiedlichen Intentionen tätig ist. Fabriken z. B. ordnen wir dem Wirtschaftsleben zu, weil es ihr vorherrschender Zweck ist, mit bestimmten Waren Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Sie haben auch ein eigenes Wirtschaftsleben, in dem die Bedürfnisse nach Rohstoffen und Produktionsmitteln sowie die Bedürfnisse der Betriebsangehörigen für ihren Lebensunterhalt brüderlich zu befriedigen sind. Aber es entfaltet sich im Betrieb mit all den spezifischen Fähigkeiten der Mitarbeiter, die zur Funktion des Betriebes benötigt werden, auch ein eigenes Geistesleben, in dem jeder im Rahmen des gemeinsamen Zieles der Freiheit bedarf. Ebenso bilden die Betriebsverfassung und die einzelnen Arbeitsverträge ein eigenes, nach dem Prinzip der Gleichheit zu ordnendes Rechtsleben.

Die Schule gehört dem Geistesleben an, weil ihr Zweck in der Bildung der Anlagen und Fähigkeiten der heranwachsenden Generation besteht. Die Entfaltung der Fähigkeiten der Lehrer und Mitarbeiter macht das schulinterne Geistesleben aus. Aber die Schule hat auch ein eigenes Wirtschaftsleben, in dem es um die Befriedigung der Bedürfnisse der Eltern nach Bildung ihrer Kinder und die Befriedung der Bedürfnisse der Lehrer nach Gebäuden, Lehrmitteln und Sicherung ihrer materiellen Existenz geht. Und natürlich besteht in der Schulverfassung, den Anstellungsverträgen der Lehrer und Mitarbeiter, den Ausbildungsverträgen mit den Eltern und den Vereinbarungen und Beschlüssen der Lehrer untereinander ein eigenes Rechtsleben.

So wie im Menschen Leib, Seele und Geist mit einer gewissen Eigengesetzlichkeit wirken und aus diesen heraus je eigene Intentionen entwickeln, so entfalten sich diese Intentionen in der Gesellschaft optimal auch nur in je spezifischen Lebensbereichen, die eine gewisse Selbständigkeit gegeneinander haben. Eine zentrale politische Lenkung aller Lebensbereiche durch wenige, wie sie heute noch weitgehend im alles umfassenden Einheitsstaat geschieht, ist daher wider die Natur des Menschen, wirkt unterdrückend und sozial zerstörerisch. Der staatlichen Machtstrukturen können sich dann auch einflussreiche kapitalistische Wirtschaftskreise für ihre Interessen bedienen. Dies ist das entscheidende gesellschaftliche Grundproblem der Gegenwart, das der dringenden Änderung bedarf.

Dieses Ideal der Dreigliederung des sozialen Organismus ist keine Theorie, nach der die Gesellschaft von außen zu formen wäre. Die Dreigliedrigkeit ist in der realen Gesellschaft veranlagt, weil der dreigliedrige Mensch sich in ihr in dreifach verschiedener Weise entfalten will. Es müssen dafür nur die Hindernisse beseitigt werden. Der Mensch ist das Maß der gesellschaftlichen Ordnung, die ihm dienen soll.

Die Auswirkungen dieser grundlegenden Erkenntnisse wären natürlich vielfach zu konkretisieren. Der vordringlichste Ansatz liegt m. E. in der Befreiung des gesamten geistig-kulturellen Lebens aus staatlichen und wirtschaftlichen Fesseln und Abhängigkeiten, insbesondere die Befreiung seines Kernes, des Bildungswesens.

Freies Bildungswesen

Viele Menschen glauben, nur der Staat könne das Bildungssystem so gestalten, dass es den Interessen der Menschen und der Gesellschaft am besten dient. Der heranwachsende Mensch werde ein tüchtiges Glied der Gesellschaft, wenn er im Sinne der Möglichkeiten und Notwendigkeiten von Staat und Wirtschaft erzogen werde, in die er ja eintreten soll.

Abgesehen davon, dass es immer wenige Herrschende sind, die den Anderen vorschreiben, was sie für das Notwendige halten, ist das ein grundsätzlicher Irrtum. Die bestehenden wirtschaftlichen und staatlichen Verhältnisse sind aus den Erkenntnis- und Handlungsfähigkeiten der Menschen, also aus dem Geistesleben hervorgegangen, wie frei oder unfrei es auch gewesen ist. Das Geistesleben mit dem Bildungssystem ist letztlich der Quell aller gesellschaftlichen Gestaltungen. Wird es vom bestehenden Staats- und Wirtschaftssystem bestimmt, machen diese natürlich ihre Interessen auf ihre eigene Fortdauer geltend. Und das Bildungswesen bringt dann nur Fähigkeiten zum Erhalten des Vorhandenen hervor, mit all seinen systemischen Fehlern und Ungerechtigkeiten. Die Heranwachsenden werden an die Vergangenheit gefesselt, zu dessen „tüchtigen“ Funktionsträgern ausgebildet und ihrer Zukunft beraubt. Der vielfach verkannte Rudolf Steiner schrieb dazu:

„Nicht gefragt soll werden: Was braucht der Mensch zu wissen und zu können für die so­ziale Ordnung, die besteht; sondern: Was ist im Menschen veranlagt und was kann in ihm entwickelt werden. Dann wird es möglich sein, der sozialen Ordnung immer neue Kräfte aus der heranwachsenden Generation zuzuführen. Dann wird in dieser Ordnung immer das leben, was die in sie eintretenden Vollmenschen aus ihr machen; nicht aber wird aus der heranwachsenden Generation das gemacht werden, was die bestehende soziale Ord­nung aus ihr machen will. … Da das Leben des Staates und der Wirtschaft nichts von der Menschennatur Abgeson­dertes sind, sondern das Ergebnis dieser Natur, so ist niemals zu befürchten, dass ein wirklich freies, auf sich selbst gestelltes Geistesleben wirklichkeitsfremde Menschen aus­bildet.“ 2

Die Menschheit entwickelt sich ständig weiter. Jede Generation bringt neue Lebensimpulse, Anlagen und Fähigkeiten mit, aus denen auch neue Gemeinschafts-Ideale erwachsen, an denen die bestehende Gesellschaft gemessen wird. Dies zu pflegen und zu fördern, ist Aufgabe eines Bildungswesens, das frei und unabhängig sein muss, in dem sich die Lehrenden ihre Lehrpläne aus ihren Erkenntnissen und pädagogischen Einsichten selbst geben und ihre Schulen und Hochschulen selbst verwalten. „Jeder Unterrichtende hat für das Unterrichten nur so viel Zeit aufzuwenden, dass er auch noch ein Verwaltender auf seinem Gebiete sein kann. Er wird dadurch die Verwaltung so besorgen, wie er die Erziehung und den Unterricht selbst besorgt. Niemand gibt Vorschriften, der nicht gleichzeitig selbst im lebendigen Unterrichten und Erziehen drinnen steht.“ 3 Die Verwaltung kann sich dadurch auch nicht von der Pädagogik verselbständigen und diese indirekt über den Haushalt beeinflussen.

Es ist fatal, dass z. B. juristische Studiengänge vom Staat an staatlichen Hochschulen eingerichtet werden, wo staatliche Beamte das als Inhalt der Jurisprudenz lehren, was der Staat in seiner Verfassung und seinen Gesetzen niedergelegt hat. Es ist die unaufhörliche Reproduktion des Bestehenden. So „erben sich Gesetz und Rechte wie eine ew‘ge Krankheit fort“ (der Jurist Goethe in seinem „Faust“). Der Inhalt der Jurisprudenz muss dagegen völlig unabhängig vom Staat in Hochschulen eines freien Geisteslebens aus diesem selbst geschöpft werden. „Der Staat wird zu warten haben auf dasjenige, was ihm von diesem freien Geistesleben aus überantwortet wird. Er wird befruchtet werden von den lebendigen Ideen, die nur aus einem solchen Geistesleben erstehen können.“ 4

Mancher wird einwenden, die Erziehenden und Lehrenden bewegten sich fern des praktischen Lebens und würden daher oft lebensfremde Dinge lehren, die in der Praxis nicht zu realisieren seien. Doch er übersieht, dass Lehrende, die gewohnt sind, nach Vorschriften zu handeln, erst dadurch lebensfremd und unpraktisch werden. Wer sich aus eigener Verantwortung bis ins Kleinste und Größte die Richtlinien selber gibt, wird zu Ergebnissen kommen, die aus der genauen Kenntnis der Praxis in diese verändernd eingreifen können.

Natürlich hat das Bildungswesen die Jugend auf das Leben in der Gesellschaft vorzubereiten. Wie wir gesehen haben, wird indessen die Gesellschaft ein Spiegel des dreigliedrigen Menschen, wenn dieser sich in ihr in der richtigen Weise entfalten kann. Es ist daher Aufgabe der Bildung, der Jugend diesen Zusammenhang bewusst zu machen. Und wenn diese zur Brüderlichkeit in der Befriedigung der Bedürfnisse, zum Empfinden der Gleichheit des Geistes im Anderen und zur Freiheit in der Entfaltung der eigenen Fähigkeiten sowie ihrer Achtung im Mitmenschen erzogen wird, wird sie in elementarer Weise für das Leben in der Gesellschaft vorbereitet.

Eine Schule oder Hochschule kann nicht glaubhaft zur Freiheit in der Gesellschaft vorbereiten, wenn sie selbst von staatlichen Direktiven abhängig, also in fundamentaler Weise unfrei ist. Zur Freiheit erziehen können nur Lehrer, die selbst frei sind und der Jugend die Freiheit real vorleben. (s. auch: Das staatliche Schulsystem).

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1   Hinweis von Rudolf Steiner im Vortrag vom 2.10.1916, Bd. 171 der GA, S. 211 f.
2   Rudolf Steiner: „Freie Schule und Dreigliederung“ in: Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus, Dornach 1961,
3   Rudolf Steiner: Die Kernpunkte der sozialen Frage, Dornach 1961, S. 10
4   Anm. 3, S. 13

9 Kommentare zu „Der Mensch als Maß der Gesellschaft“

  1. Stimmiger Aufsatz.

    Ja, die Trinität findet nicht nur in Gott statt. Als von ihm kommende Wesen wirkt auch in uns die Dreigliederung. Singularität – Dualität – Kausalität. Und wenn man so will entsteht aus ihnen die Zeit, welche den Raum des Lebens darstellt. Denn eine Einheit, die sich dual darstellt, also zwischen Tick und Tack herpendelt, und sich zusätzlich in Kausalität, also in Folgerichtigkeit vollzieht, ergibt Zeit. Das Maß, was dem Leben zur Verfügung steht. Sodaß Zeit für das Leben quasi das darstellt, was Raum für die Materie ist, der ZeitRaum zum Leben.

    Leider erwartet man von den Leuten, die maßgebend für die Wege sind, welche die Menschen gehen, nicht mehr zu verstehen, was der Sinn des Lebens ist, und wie es mit den anderen Kräften verknüpft ist.

    Die Welt ist zu einem Warenhaus geworden, in denen nur noch Handelsgesetzen Bedeutung beigemessen werden. Leider. Aber schön von anderen denkfähigen Wesen zu hören. Wußte ich gar nicht, das Steiner so gedacht hat.

    Schönen Gruß aus Bremen

  2. leute..fett…satt…nimmt keine lehre an..fettsatt hat sich zum tier entwickelt..ein zweibeintier..fettsatt das wissen auch die demokratisch angestichnen maechtigen..fettsatt ist manipuliert auf fettsatt..tut gut..also meins..guten tag fettsatt..

  3. Dieser Satz hat es mir besonders angetan;
    „2. Die Seele lebt vermittelnd zwischen Geist und Leib. Sie wird in ihren Erlebnissen und Inhalten auf der einen Seite durch den Leib und die Einflüsse der physischen Welt und auf der anderen Seite von den Gesetzen des Geistes bestimmt, die der Mensch mit seinem Denken erfasst. “

    Ich denke, dass wir in einer ständigen Wiederholung unserer Menschheitsgeschichte gefangen sind, weil in stetiger Weise manipulierend auf unsere zeitliche/geschichtliche Gesellschaftsstruktur durch vermutlich „mächtige Gegenkräfte“, Einfluss auf uns (die Menschheit) ausgeübt wird und das seit Jahrtausenden.
    Wer oder was, ist so langatmig und zugleich so zentriert und fremdartig Machtvoll ?

    Irgendetwas, will den globalen Friedenstraum der Menschheit verhindern. Wir sind Technisch (also materiell) gesehen, weit entwickelt, aber sind wir auch gleichsam innerlich gereifter und weiser entwickelt, wie es die alten empathischen Weisen unserer weit zurückliegenden Geschichte waren ?

    Kataklysmen des Wissens (z.B. Zerstörung der Bibliothek von Alexandria u.s.w.), darauf erbaut sich bis heute, empathielose robotische künstliche Intelligenz.

    Viele Menschen werden wieder und wieder zu einem Schatten ihres Selbst „degradiert“, nicht nur in Kriegs- und Notzeiten, nein, auch in unserer derzeitigen indirekt „diktatorisch“ wirkenden Demokratie.

    Menschen werden es sein, die es mit ihrem Denken (Herzen) erfassen und ändern werden.

    http://www.caduceum.de/184.html

    http://www.caduceum.de/203.html

    http://www.caduceum.de/230.html

    http://montalk.net/german

    Gruß

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